Schäden der Kirche. III
der römischen Kirche waren: neben der Heiligen Schrift galt die münd-
liche Überlieferung; den Laien wurde der Kelch entzogen; Ber-
ehrung der Heiligen; die Lehre, daß der Papst der Stellvertreter
Christi auf Erden sei; die Ehelosigkeit der Priester und endlich besonders
der Ablaßhandel.
Unter „Ablaß" verstand die alte Kirche ein Erlassen der Kirchenstrafen
für schwere Sünden um Geld; daneben forderte sie aufrichtige Reue und Buße.
Später unterließ man, die letzte Forderung zu betonen. Man lehrte, der Papst
könne von dem Gnadenschatze, den der Herr Jesus und die Heiligen durch ihre
überflüssigen guten Werke erworben haben, den sündigen Menschen austeilen. Endlich
lehrten gewissenlose Ablaßhändler — wie Tetzel zur Zeit Luthers — vom
Ablaß: „Hier ist Vergebung der Sünden! Hier ist das gewisse Himmelreich!
Kaufet! Kaufet!"
Diesen Schäden waren schon vor Luther mehrere Männer entgegen-
getreten, so in Südsrankreich der fromme Kaufmann Petrus Waldus —
seine Anhänger nannte man Waldenser —in England der Prediger
Wiclis und nach ihm der Böhme Johann Hus (§ 39, b). Alle
hatten nur in einem kleinen Kreise gewirkt, ihre Stimme war nicht durch-
gedrungen; sie hatten wohl dte Schäden erkannt, aber nichts Neues
schaffen können.
Nunmehr aber sandte Gott einen Mann, der nicht nur alle Schäden
der Kirche ans Licht zog, sondern der nach ihrer Beseitigung etwas
Neues an ihre Stelle zu setzen vermochte: den Reformator Dr. Martin Luther.
§ 49. Luther.
a. Luthers Jugend. Martin Luther wurde am 10. November 1483 1483
zu Eisleben geboren. Sein Vater stammte aus einem alten, angesehenen
Bauerugeschlechte zu Möhra bei Eisenach; er hatte sich dem Bergbau
gewidmet und war, um sich besseren Verdienst zu suchen, nach der Gras-
schaft Mausfeld, deren Hauptstadt Eisleben war, gezogen. Seine
Mutter hieß Margarete und war eine geborne Ziegler. Seine Eltern
waren fleißige, redliche und gottesfürchtige Leute. — Schon am Tage
nach der Geburt wurde der kleine Luther getauft, und da es gerade der
Gedenktag des frommen, mildtätigen, aber streitbaren heiligen Martin
war, Martin genannt.
Die Eltern zogen bald darauf nach Martfeld. Sein Vater war hier „Berg-
Hauer" und konnte anfangs nur mit großer Mühe für sich und seine Familie
Brot schaffen. In späteren Jahren ging es ihm besser, so daß er Besitzer zweier
Schmelzöfen und angesehener Ratsmann wurde. Da der kleine Martin ein sehr
geweckter Knabe war, beschlossen seine Eltern, ihn sorgfältig zu erziehen, damit
einmal etwas Tüchtiges aus ihm werden könnte. Schon frühzeitig schickten sie
ihn in die Schule zu Mausseld, wo er außer dem Lesen die zehn Gebote,
den Glauben, das Vaterunser und heilige Gesänge und Gebete lernte. Die Zucht
tvar in der Schule und im Hause eine sehr strenge. Um geringer Vergehen willen
wurden die Kleinen bis aufs Blut gezüchtigt.