Full text: Vom Beginne christlicher Kultur bis zum Westfälischen Frieden (Teil 2)

122 Vierte Periode. Von 1273 — 1517. 
sehr verkleinert; die überschüssige Bevölkerung, die keinen Grund 
und Boden mehr bekam, wurde völlig leibeigen. 2. Auch zwang 
die eigene Not die Grundherren zur Steigerung von Zins und 
Fronden. 3. Ferner führte die wachsende Geld Wirtschaft zur Aus¬ 
wucherung des kleinen Mannes durch Juden und Christen; dazu 
kam am Anfange des 16. Jh. die Geldentwertung, die durch den 
Raubbau der in den Händen reicher Handelsgesellschaften liegen¬ 
den deutschen Silberbergwerke herbeigeführt wurde. 4. Endlich 
erfolgte im 15. Jh. die Aufnahme des römischen Rechts; das ge¬ 
schah einmal, weil das römische Recht der Kapitalwirtschaft mehr 
entsprach als das deutsche, das zur wirtschaftlichen Voraussetzung 
die Naturalwirtschaft hatte, sodann auch, weil es dem auf die 
Ausbildung des fürstlichen Absolutismus gerichteten Zuge der Zeit 
entgegenkam. Das fremde Recht aber lieferte den armen Mann 
den Rechtsgelehrten aus; daher sein Haß gegen die Advokaten 
(vgl. Goethes „Götz"). Auch durch die, zumal von den Städten 
gehandhabte, grausame Justiz1 verschärften sich die sozialen 
Gegensätze. 
In den niederen Schichten der Stadtbevölkerung machte 
sich infolge der Wirkungen der Zunftverfassung gleichfalls ein 
Anwachsen des Proletariats und eine Erbitterung gegen die be¬ 
sitzenden Blassen bemerkbar. 
Daher im 15. Jh. zahlreiche Bauernaufstände (der Pfeifer 
von Nikiashausen a. d. Tauber), zu denen auch noch das Beispiel 
der Hussiten und der Eidgenossen antrieb. Daher die Verbin¬ 
dungen des „Bundschuhs" und des „armen Konrad" in Württem¬ 
berg. Furchtbarer noch wurde die Gefahr der sozialen Revolution, 
als sich mit dem wirtschaftlichen Notstande die Kraft religiöser 
Erregung verband. 
§ 99. 4. Die politischen Zustände Deutschlands unter Maximilian I. 
1493-1519. 
Die trostlosen politischen Zustände Deutschlands, das mehr 
und mehr schwindende Gefühl für die nationale Ehre unter den 
1) Grausam genug in ihren Strafbestimmungen ist auch noch, trotz dem 
Fortschritt in vielen Beziehungen, Karls V. „peinliche Halsgerichtsordnungu 
(Constitutio criminalis Carolina) von 1532.
	        
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