Full text: Vom Beginne christlicher Kultur bis zum Westfälischen Frieden (Teil 2)

I. Die Germanen und ihre Staatenbildungen auf römischem Eeichsboden. 
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c) Altgermanische Verfassung und Kultur. § 5. 
a) Die Agrarverfassung. Der Ackerbau, gegenüber der 
Viehzucht noch wenig bedeutend, wurde in roher Weise und 
nur zur Befriedigung der unmittelbarsten Notdurft betrieben. 
Persönliches Eigentum gab es weder an Acker noch an Wald 
und Weide. Am frühesten entwickelte es sich an Haus und Hof; 
zur Zeit des Tacitus war die Feldmark Eigentum der Dorfgemeinde, 
der Markgenossenschaft, und wurde unter die einzelnen Haus¬ 
vorstände jährlich verteilt; Wald und Weide, die sog. Allmende, 
aber blieben im Gemeinbesitz des ganzen Graues. 
ß) Die Stände. Es gab Freie und .Unfreie. Unter den 
Freien unterschied man den — in seinem Ursprünge unbekann¬ 
ten — Adel (seine Mitglieder ags. eorl [engl, earl], altn. iarl), der 
keinen streng geschlossenen Stand bildete und sich durch größeren 
Besitz an Vieh und größere persönliche Achtung der Volks¬ 
genossen auszeichnete, und die Gemeinfreien (ahd. charal, karl; 
ags. ceorl). Zu den Unfreien gehörten Freigelassene und Knechte 
(skalks); dies waren Kriegsgefangene oder solche, die im Spiel 
ihre Freiheit verloren hatten; es gab verschiedene Abstufungen 
der Unfreiheit. 
y) Die Staatsverfassung. Der Staat ist bei den Germanen, 
wie überall, aus dem Geschlecht, der Sippe, hervorgegangen, d. h. 
aus den durch Blutsverwandtschaft miteinander Verbundenen. Das 
Oberhaupt der Sippe hatte unumschränkte Gewalt über die ihr 
Angehörigen. Aus dem Zusammenschluß mehrerer (verwandter) 
Sippen entstand die Hundertschaft, die 100 bis 120 Krieger, 
also 600 bis 800 Köpfe zählte. Als der Stamm seßhaft wurde, 
ward aus mehreren Hundertschaften (oder auch aus einer) der 
Gau (pagus), aus mehreren Gauen der Völkerschaftstaat (civitas), 
wie wir ihn zur Zeit des Tacitus finden, dessen einzelne Teile 
aber, die Gaue, noch sehr lose miteinander zusammenhingen.1 
Bei den ostgermanischen Stämmen finden wir Könige (von 
kum=Geschlecht). In den westgermanischen Staaten gab es keine 
ständige oberste Behörde; für außerordentliche Fälle, besonders 
1) In seinem Bestreben dem Völkerschaftstaat ein festeres Gefüge zu 
geben scheint Arminius den Untergang gefunden zu haben.
	        
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