Object: Hilfsbuch für den Unterricht in der Geschichte

74 C. Aus der deutschen Geschichte. 
der römischen Kriegskunst, an den Ufern der Weser über Hermann einen Sieg zu 
erringen. Aber einen dauernden Erfolg hatte dieser Sieg für die Römer auch nicht. 
Tiberius, der unterdessen zum Throne gelangt war, rief Germanicus, auf dessen 
Kriegsruhm er eifersüchtig war, ab. 
Hermanns Ende. Hermann erntete nicht den Lohn für die Be¬ 
freiung Deutschlands. Nach römischen Nachrichten wurde er von seinen 
eigenen Verwandten, welche ihn des Strebens nach der Königswürde 
beschuldigten, getötet (21 n. Chr.). Er war erst 37 Jahre alt. Seine 
Gemahlin Thusnelda und sein dreijähriges Söhnchen Thumelicus 
waren von seinem Schwiegervater Segestes an Germanicus ausgeliefert 
worden. Sie wurden zuerst nach Rom, dann nach Ravenna gebracht. 
Ihr ferneres Schicksal ist unbekannt. 
Die Entstehung der Völkerbündnisse. Nach der großen Niederlage 
im Teutoburger Walde beschränkten sich die Römer auf die Behauptung 
der Rhein- und Donaugrenze. Die Kriege nahmen aber dort kein Ende, 
da die germanischen Völker sehr bald von der Verteidigung zum 
Angriff übergingen und mit immer größerer Kraft nach Westen und 
Süden drängten. Als eine Folge der fortwährenden Grenzkriege müssen 
wir die Entstehung der großen Völkerbündnisse betrachten, welche 
gegen die Römer gerichtet waren und endlich das römische Reich zer¬ 
trümmerten. 
Es verschwinden nämlich gegen Ende des zweiten Jahrhunderts 
die Namen der meisten früheren Stämme, denn diese selbst hatten sich 
zu großen Völkerbündnissen unter einem gemeinschaftlichen Namen 
vereinigt. Wahrscheinlich waren viele der kleinen Stämme in den fort¬ 
währenden Kämpfen fast aufgerieben worden, und die Deutschen hatten 
endlich eingesehen, daß nur Einigkeit stark macht. 
Die wichtigsten Völkerbündnisse waren die Goten, die Franken, 
die Sachsen und die Alemannen, welchen sich die andern deutschen Völker 
teils gezwungen, teils freiwillig anschlossen. Die Goten wohnten von 
der Weichsel bis zum Dujepr und von der Ostsee bis zum schwarzen 
Meere; durch den Dnjestr wurden sie in Ost- und Westgoten ge¬ 
trennt. Zu ihrem Bunde gehörten auch die Langobarden, Vandalen, 
Gepiden und Alanen. Vom Niederrhein bis zur untern Elbe wohnten 
die Sachsen, an der Nordseeküste und auf den Inseln die zu ihnen 
gehörenden Friesen. Ganz Mitteldeutschland hatten die Thüringer 
inne. Am obern Rhein saßen die Alemannen, am Mittelrhein die 
Burgunder und am untern Rhein die Franken. 
3. Die Völkerwanderung. 
Wesen nnd Ursache. Unter der Völkerwanderung versteht man 
die allmähliche Ausbreitung der germanischen Völker nach Süden und 
Westen über fast alle Provinzen des römischen Reiches. Diese Aus¬ 
breitung erfolgte teils auf dem Wege der Eroberung, teils auf friedliche 
Weise durch Aufnahme der Deutschen als Grenz-Kolonisten. — Als 
nächste Ursache dieser großartigen Bewegung ist die Übervölkerung des
	        
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