Vorbemerkung.
Seit dem 18. Jh. ist es üblich geworden, die Geschichte § 1.
der Menschheit (worunter man immer im wesentlichen die an¬
tiken Kulturvölker und die romanisch-germanischen Völker ver¬
stand) in drei große Zeiträume, das Altertum, das Mittel¬
alter und die Neuzeit, einzuteilen und das „Mittelalter" vom
Untergange des weströmischen Reiches (476) bis zur Reformation
zu rechnen. Diese Gliederung entbehrt des wissenschaftlichen
Grundes. Vielmehr haben die klassischen Völker des „Alter¬
tums" eine Entwickelung durchlaufen, die derjenigen der Völker
des romanisch - germanischen Kulturkreises während des „Mittel¬
alters" und der „Neuzeit" auffallend ähnlich ist. Dem trägt
dieses Buch Rechnung und unterscheidet eine alte und neuere
Geschichte, behält aber aus praktischen Rücksichten den Ausdruck
Mittelalter gelegentlich bei, um den etwa elfhundertjährigen Zeit¬
raum vom Ende des 4. bis zum Beginn des 16. Jh. mit einem
Wort zu bezeichnen.
Die antike Kultur ist im wesentlichen von innen heraus
abgestorben, als sie sich ausgelebt hatte. Je weiter diese Ver¬
wesung vorschritt, zu desto größerer Bedeutung gelangten zwei
neue Mächte, das Christentum und die Germanen. Im 4. Jh.
fangen diese die Kulturwelt zu beherrschen an. Damit beginnt
auch der Schauplatz der Geschichte sich zu verändern: statt der
Mittelmeerländer tritt Mitteleuropa, Deutschland, in den Vorder¬
grund der Betrachtung.