fullscreen: Für das fünfte Schuljahr (Teil 4, [Schülerband])

Rosegger. 
219 
Peter Rosegger. 
143. Das Waldspinnlein. 
Als ich im sommerlichen Walde aus dem ausgebreiteten 
Wollentuche dalag und meinem lieben Gott Artigkeiten sagte 
von wegen seiner schönen, vortrefflichen Schöpfung, da lies 
plötzlich etwas sehr rasch über mein Bein herauf. Meine 
Hand schnellte hin, war aber nichts mehr da, und auf 
dem Wollentuche lag ein graubraunes Kügelchen. Ich mußte 
sehr scharf und genau daraus Hinblicken, bis ich sah, daß es 
ein Tier war, welches sich fest zusammenkauerte und seine 
Beine so nahe an den Leib zog, daß sie von diesem kaum 
zu unterscheiden waren. Ich rührte es an, es bewegte sich 
nicht, ich suchte es in Bewegung zu bringen, es kollerte ein 
wenig über das Tuch hin und blieb liegen, unbeweglich und 
starr wie ein Baumrindchen. 
Ich glaubte endlich, es sei nicht jenes Tier, welches 
über das Bein gelaufen war, sondern wirklich ein Stückchen 
Holz oder dergleichen. Anderseits aber kam mir der Gedanke: 
„Halt, kleines Ding, vielleicht bist du etwas Abgefeimtes, 
stellst dich nur so, damit ich mich wieder von dir wende und 
du deinen Angriff auf mich im günstigen Augenblick neuer¬ 
dings machen kannst. Warte, necken wir dich ein wenig!" 
Ich stupste es mit einem Grashalm, es blieb leblos und 
starr. Nun ließ ich es vom Tuche auf ein grünes Blatt 
rollen, da ging es in die Falle. Das Blatt mochte es für 
seinen freien Boden halten, allsogleich sprangen die Bein- 
chen auseinander, und das Wesen — eine Waldspinne war's 
— lies. Als ich es hierauf mit dem Finger berührte, war es 
wieder das regungslose Kügelchen. Kein Glied, kein Kopf, 
kein Auge war zu sehen, keine Ähnlichkeit mit einem 
lebendigen Wesen. Schauspielerin du! Da denkt sie sich: 
„Au, hier ist ein Ungeheuer, das den Spinnen nachstellt. 
Ich stelle mich tot, sonst macht es mich tot." Nur ruhig, es 
ist noch immer da — ein schreckliches Ungetüm. 
„So will ich doch sehen," dachte ich mir wieder, „ob deine
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.