Full text: Lehr- und Lesebuch für den Deutschen Geschichtsunterricht

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Geh hin, du Armer! frag nach Tröste bei Kunst und Weisheit überall, 
Trink Wein, geh in den Wald und koste die Rose und die Nachtigall. 
Sie haben nichts für deine Klagen, kein Strahl versöhnt die schwarze 
Kluft, 
Sie haben nichts für dein Verzagen, und schaudernd sinkst du iit die Gruft. 
Das ist das Leben und Verscheiden, wenn Christus nicht auf Erden 
kam 
Und auf dem Kreuze Schreck und Leiden dem Leben und dem Tode nahm. 
Gott will uns über alle Leichen und alle Schrecken der Natur 
Die Vaterhand hinüberreichen, doch reicht er fie dem Glauben nur. 
Drum ließ in Schmerz und Tod die Armeil der treue Gott uns 
nicht allein, 
Am Kreuz voll Liebe und Erbarmen ging Gott in unfre Weife ein. 
Das alles aber ist verloren, wenns nicht in euch lebendig lebt, 
Wenn nicht die Kirche neugeboren von ihrem Sturze sich erhebt. 
O, lernet glauben, lernet beten! denn bald und schnell kommt Gottes 
Schwert; 
Die Wolken selbst find die Propheten des Blitzes, der heruuterfährt. 
O wollet nicht durch äußre Werke gerettet und befeligt fem; 
Der Glaube in lebendiger Stärke rechtfertigt euch vor Gott allein. 
Es muß die Kirche sich erneuern; bald ruft ihr Gott in Schreck nnd 
Pein, 
In Pest und wilden Kriegesfeuern erschütternd zu: Gedenke mein!" 
Savonarola wird gebannt. 
Savonarola ist als Ketzer, falscher Prophet, untreuer Hirt, 
Als ein Rebell und Volksverhetzer vom Papste exkommuniziert. 
Der Bischof im Ornat verkündet des Bannes schauerlichen Spruch. 
Vier Fackeln werden angezündet und ausgelöscht mit einem Fluch: 
„Dreimal hat dich nach Rom gefordert der Papst, zur Gnade dir 
bereit; 
Umsonst! nur wilder aufgelodert bist du im frevelhaften Streit! 
Girolamo! das Licht der Gnade lischt aus wie dieser Kerzen Schein! 
Geh hin und wandle deine Pfade, verflucht und finster und allein!" 
Wird sich dem Kirchenbanne neigen Girolamo, der Gottesheld? 
Wird er das Wort des Heils verschweigen, vom Fluch geschlagen aus 
dem Feld? 
Girolamo die heiße Fehde des Herrn noch immer treulich ficht; 
Und also seine Kanzelrede, dem Bannesfluch antwortend, spricht: 
„Prälaten find allein mit nichteu die Kirche, und auch nicht zu¬ 
meist ; 
Sie soll aus allen sich errichten, bei welchen Glaub' und hetl'ger Geist. 
Christus, der auf dem Kreuz verschieden, ist unser Mittler, er allein; 
Der Klerus soll zum Gottesfrieden ein Führer nur, nicht Mittler fein! 
Das Evangelium ist das Leben; das nur kann gültigen Entscheid 
Und Richterspruch im Kampfe geben, ob ihr die Kirche Christi seid. 
Ihr führt gen Gott ein eitles Kriegen; wenn auch der Tod mich bald 
verschlingt, 
So wird die starke Hand doch siegen, die mich als ihren Hammer schwingt.
	        
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