Full text: Lehr- und Lesebuch für den Deutschen Geschichtsunterricht

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Hie lehrt man, rauben sei kein Sünd, . . 
Hie gilt nit mehr, was du hast gesagt . . 
Hie wird zu Recht Unrecht gemacht . . . 
Hie wird deutsche Nation beraubt, 
Ums Geld viel böse Ding erlaubt ... 
Jedoch wird Luther jetzt geschändet, 
Sein Schrift und gute Lehr verbrennt, 
Das sei dir, werter Christ, geklagt. . . 
Man thnt Gewalt dem Gottesknecht, 
Weil er die Wahrheit predigt hat, 
Ach, Herrgott, gieb uns Hilf und Guad . . . . 
Doch hoff ich, es 
. . werd gerochen dein Unschuld. 
Drum, Diener Gottes, Hab Geduld. . . . 
Sutten. 
Ambrosius Blaure r. Ich rufe Gott und mein Gewissen 
an zu bezeugen, daß mich kein Mutwille oder wichtiger Beweggrund aus 
dem Kloster getrieben, sondern was mich herausgetrieben hat, sind ehren- 
hafte, gewichtige, große Beschwerde und dringendes Mahnen meines Ge¬ 
wissens auf Grund und Anweisung des göttlichen Wortes. . . . Obwohl 
ich mich vor Gott in nichts übernehme, darf ich mich doch vor den 
Menschen wohl in dem Herrn rühmen, daß ich in dem Kloster, auf der 
Schule, hier und überall, gute Meinung und Nachruf, viel Liebe und 
Gunst wegen meiner Ehrbarkeit bewahrt habe. Auch hat mir die Bot¬ 
schaft aus Württemberg vor euren Ohren das Lob selbst verliehen, daß 
meines Wesens und Wandels halber feine Klage über mich sei, sondern 
ich hätte mich wohl und fromm gehalten, nur daß ich mich um die ver¬ 
führerische und verdammte Lehre Luthers zu viel gekümmert, die Schriften 
besfelben gelesen, gehalten unb gegen bas Verbot des Abtes öffentlich in 
dem Konvent und meinen Laienpredigten gelehrt, und als auch mir das 
verboten wurde, dennoch heimlich und in ben Winkeln in bie Seelen et¬ 
licher Konventsherren gegossen habe. . . Als in ben letztvergangnen 
Jahren bie Schriften unb Bücher Luthers ausgingen und ruchbar wurden, 
sind sie auch mir zu Händen gekommen, ehe sie verboten und verdammt 
wurden, und ich habe sie besehen und gelesen. Anfänglich ist mir solche 
Lehre etwas fremd und seltsam erschienen, und unhold und im Wider- 
sprnche mit lang hergebrachter Theologia unb kluger Lehre ber Schule, 
auch mit etlichen Satzungen ber päpstlichen geistlichen Rechte, unb im 
Widerspruche mit alten und, wie mich dünkte, löblichen, von unsern Vor¬ 
eltern auf _ uns erwachsenen Herkommen und Bräuchen. Da ich aber 
dabei beutlich merkte, baß biefer Mann allenthalben in seine Lehre 
einstreute helle, klare Sprüche ber heiligen Schrift, verwnnberte 
ich mich sehr und wurde dadurch veranlaßt, solche Lehre nicht ein- 
ober zweimal, sonbern oft, fleißig unb mit ernstem Aufmerken zu 
lesenzu erwägen unb gegen die heilige Schrift zu halten. Je länger 
und fleißiger ich dies that, desto mehr verstand ich, wie dieser hochgelehrte, 
erleuchtete Mann mit so großer Würde die Schrift traktierte, wie so ganz 
rein und säuberlich er mit ihr umging, und ich sah, daß in seiner Be¬ 
handlung der Schrift die größte Meisterschaft ist, so daß auch jeder ver¬ 
ständige Laie, ber seine Bücher recht ansieht unb fleißig liest, beutlich be¬ 
greifen kann, baß biese Lehre eine ganz wahre, christliche starke Grund¬ 
feste ist. Deshalb traf sie auch mein Gemüt und ging mir tief zu Herzen, 
unb es ist mir nach unb nach der Nebel vieler alter Mißverständnisse von
	        
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