Full text: Lehr- und Lesebuch für den Deutschen Geschichtsunterricht

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nnt) fast ohne Waffen, Männer, Weiber und Kinder in buntem Gemisch, 
alle aber fanatisch erhitzt und voll Begierde nach Kampf. Einen ähnlichen 
Haufen sammelte Walter von Habenichts; diese beiden Massen vereinigten 
sich und betraten den deutschen Boden. Das deutsche Volk verhielt sich 
im allgemeinen kühl gegen den Aufruf zum Kreuzzuge, ja verspottete die 
armen Verblendeten, doch schlössen sich auch Scharen meist geringer Leute 
an. Durch Deutschland und Ungarn ziehend kamen die zwei Haufen nach 
vielen Angriffen und Gefahren vor Konstantinopel an. Nach kurzer Rast 
wurde Peter genötigt, den Bosporus zu überschreiten; wie er aber das 
Volk nicht vom Raube abzuhalten vermochte, ging er voll Verdruß und 
Schmerz nach Konstantinopel zurück. Das ganze Heer wurde von den 
Seldschukken aufgerieben, und nur kümmerliche Reste kehrten endlich in 
dieselbe Stadt zuück. 
Das Kreuzfahrerheer. Hinter den unglücklichen Bauern 
erhoben sich nun die Fürsten und Ritter. Graf Raimund von Toulouse, 
Markgraf der Provenoe, rüstete ein Jahr lang zum bevorstehenden Kriege, 
desgleichen eine Anzahl vornehmer und edler Herren, unter ihnen Gott- 
fried von Bouillon, Herzog von Niederlothringen. Auch Italien blieb 
nicht zurück. So stand im Herbst 1096 eine gewaltige Masse zum Kampfe 
gegen die Seldschukken bereit. Dem Ritterheere fehlte es nicht an Waffen, 
Vorräten und Kriegsübung, wohl aber an einem geeigneten Ober- 
befehlshaber. 
In Konstantinopel angekommen, forderte der ostromische Kaiser 
Alexius, der die Kreuzfahrer als seine Werkzeuge ansah, um das verlorne 
Reich wieder zu gewinnen, daß die Kreuzesfürsten ihm den Lehenseid 
leisten und alles eroberte Land als Lehen des Kaisers betrachten sollten. 
Mit List und Gewalt erreichte er endlich dies Ziel und legte so den 
Grund zu dem folgenschweren Hasse des römisch - christlichen Abendlandes 
gegen sich und sein Reich. Endlich brach das ans etwa 300 000 Köpfe 
angewachsene Heer nach Nictta auf, das es getyann; aber es öffnete nur 
den kaiserlichen Truppen die Thore. 
Die Kreuzfahrer vor und in Antiochien. Antiochien 
wurde von einem tüchtigen und kraftvollen Emir verteidigt. Die Kreuz- 
fahrer begauneu die Belagerung iu nachlässigster Weise; sie genossen nach 
den erduldeten Beschwerden den Reichtum der paradiesischen Gegend mit 
Entzücken und in unbesonnenster Schwelgerei, so daß sie nach wenig Wochen 
von Mangel bedroht waren. Die winterlichen Regengüsse erzeugten eine 
tätliche Krankheit. Als nun gar noch ein feindliches Heer zum Entsätze 
herannahte, gelang es den Kreuzfahrern, die Stadt durch Verrat zu 
erobern. Fürst Boemuud, Sohn des Normannensürsten Guiskard, legte 
im Morgengrauen des 3. Juni 1098 selber die Sturmleiter an. Die 
Seinen drängten hinauf und stürmten hinab in die Stadt. Draußen 
erhoben sich die Genossen zum wildesten Angriff. Die Seldschukkeu, völlig 
überrascht, leisteten wenig Widerstand. Bald waren die Thore geöffnet; 
Flucht, Morden, Verfolgung raste durch alle Straßen; nur einer der 
Anführer raffte ein paar Tausend Mann zusammen, schlug sich mit ihnen 
bis zur Citadelle durch uud behauptete diesen wichtigen Punkt trotz der 
heftigsten Stürme, die Boemuud sofort gegen denselben richtete. 
Die Masse des Heeres kümmerte sich nicht um diese Schmälerung 
des Erfolges und auch nicht um die furchtbare Gefahr, die von Osten 
drohte. Die Einwohner der eroberten Stadt, soweit sie nicht Christen 
waren, wurden alle erschlagen, ihre Häuser rein ausgeplündert. Die 
wenigen Vorräte, die man nach der Belagerung noch vorfand, wurden in
	        
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