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Zeitalter des Territorialsystems.
1395 conti um eine große Geldsumme verkaufte, erklärten ihn die über seine
städtefreundliche Haltung längst erbitterten Fürsten für abgesetzt unb
wählten an dessen Stelle den Sohn des Siegers von Worms,
Auprecht von der ^fatz (1400—1410). Aber die Pfälzer Haus-
macht war viel zu klein, als daß der begabte und tüchtige Ruprecht
hätte viel ausrichten können. Als er in Italien dem Herzog Visconti
von Mailand die von Wenzel erkaufte Würde entziehen wollte, wurde
1401 er von diesem bei Brescia östlich von Mailand geschlagen. Ebenso
erfolglos war der Versuch, in die kirchlichen Verhältnisse Ordnung zu
bringen.
Auf Betreiben Kaiser Karls IV. hatte Gregor XI. den päpstlichen Sitz
1376 wieder nach verlegt, wofür Karl IV. den französischen Thronfolger
zum Nachfolger (einstweilen Vikar) in der Dauphine (dem Gebiet am Rhone
zwischen Lyon und Avignon sowie ostwärts bis Savoyen, benannt nach dem
Delphin, dein Wapventier des Landes) ernannte. Aber ein Teil der Kar¬
dinäle entwich nach Avignon und wählte dort einen Gegenpapst, so daß die
Kirche zwei Päpste hatte. Um die Einheit wiederherzustellen, setzte das auf
1409 Betreiben Ruprechts berufene Konzil zu Uisa beide Päpste ab und wählte
einen neuen. Weil jedoch jene Kirchenversammlnng nicht die Macht besaß,
ihren Spruch durchzusetzen, hatte die Kirche drei Päpste (in Rom, Avignon
und Toledo).
Ebenso zerrissen war ein Teil der deutschen Kirche. Ein tschechischer
Priester, Johann Kns, hatte einige von dem Engländer John Wickliffe
verbreitete, von der Kirchenlehre abweichende Anschauungen über Ohrenbeichte,
Abendmahlslehre und Ablaß an der Prager Universität vertreten. Der-
gleichen Ansichten waren allmählich unter das tschechische Volk gedrungen
und so bildete sich ein religiös-uatioualer Gegensatz zwischen den der Kirchen-
lehre anhängenden Deutschen und den „ketzerischen" Tschechen. Dieser
Zwiespalt bewog einen großen Teil der deutschen Studentenschaft, unter
Führung ihrer Professoren von Prag nach der neugegründeten Universität
1409 Leipzig überzusiedeln. Die verworrenen kirchlichen Verhältnisse konnten erst
einigermaßen geordnet werden durch Ruprechts'Nachfolger
Sigismund (1410—1437), einen Bruder des abgesetzten Wenzel.
Elfterer lag zwar mit seinen Brüdern Wenzel und Jobst ebenfalls in
Streit wegen der luxemburgischen Erbschaft (Böhmen, Mähren, Schlesien,
Brandenburg), hatte aber die Erbprinzessin Maria von Ungarn-Polen
zur Frau, schien also mächtig genug, einem erneuten Konzilbeschluß
Geltung zu verschaffen. Dieses Konzil (Kirchen- und Reichsversammlung,
beschickt vom gesamten katholischen Europa) trat zu Konstanz (1414
bis 1418) zusammen. Es setzte sich eine dreifache Aufgabe: 1. Unter¬
drückung der Ketzerei: Die von Wickliffe und Hus verbreiteten
Lehren wurden vom Konzil verworfen und Hus nebst seinem Freund
Hieronymus nach dem damals geltenden Reichs- und Kirchenrecht