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Zeitalter des Nationalismus.
die Engländer allerdings einen verhältnismäßig hohen Preis in Ostafrika
bezahlen ließen. 1895 folgte die Eröffnung des Kaiser-Wilhelm-
St a N-dis, 1897 die Pachtung von K i outfxh-au an der chinesischen
Küste, 1899 der Kauf der bisher spanischen Karolinen, Marianen und
Palauinseln, ferner die Teilung der Samoa- und Salomoninseln. Die
deutschen Kolonien bedecken fast fünfmal so viel Flächenraum als das
Mutterland, haben aber allerdings nur 10—12 Millionen Bewohner.
Außer Deutschland erstrebten natürlich die anderen Völker ebenfalls
koloniale Erweiterung, hauptsächlich in Afrika und Ostasien. So unter-
warfen die Engländer nach erbittertem Kampfe die Burenrepubliken
in Südafrika und fast gleichzeitig rissen die internationalen Großmächte
mit Einschluß der Amerikaner in Astasien wichtige Gebiete an sich.
Aber der Aufstand der Filipinos bereitete den Amerikanern große
Schwierigkeiten und in China fielen zahlreiche Europäer, darunter der
5900 deutsche Gesandte v. Ketteler, dem Fremdenhaß zum Opfer. Um
Sühne des verletzten Völkerrechts zu erlangen, unternahmen die heraus-
geforderten Mächte einen gemeinschaftlichen Jeldzug nach Weking
(unter dem Oberbefehl des deutschen Generals Waldersee) und erzwangen
eine entsprechende Entschädigung sowie sonstige Genugtuung. Auch
1901 Handels- und Verkehrsfreiheit in den Grenzgebieten mußten
die Chinesen den Ausländern zugestehen.
Die jüngsten Ereignisse in Astasten haben nicht bloß in der Grup-
Vierung und Bedeutung der Großmächte wesentliche Veränderungen hervor-
gerufen, sondern können unter Umständen auf das gesamte wirtschaftliche und
Politische Leben Europas tiesgehenden Einfluß ausüben. Das ostasiatische
Jnselreich Japan hatte seit der Mitte des 19. Jahrh. begonnen, sich die
Errungenschaften der europäisch-amerikanischen Kultur anzueignen und zwar
mit überraschendem Erfolg. Die dadurch gewonnene Kraft trachteten nun
die Japaner in auswärtigen Unternehmungen zu verwerten. Da das über-
völkerte Jnselreich ohnehin gezwungen ist, sich einen Schauplatz zu suchen,
auf dem seine überschüssige Bevölkerung sich ausbreiten und wirtschaftlich
betätigen kann, richtete es seine Augen auf das unter chinesischer Oberhoheit
stehende Korea und die gegenüberliegende chinesische Küste. Durch den
Japanisch-Mnestschen Krieg (1894/5) erlangte es tatsächlich die „Unab¬
hängigkeit" Koreas sowie den Besitz der Halbinsel Li autung mit dem
wichtigen Hafen Port Arthur, die Insel Formosa und die Fischerinseln.
Uber aus Korea und die Halbinsel Liantung hatte auch Rußland Absichten,
weil es einerseits Zugang zum „Warmen Wasser", d. h. zum eisfreien offenen
Weltmeer, andererseits die naturgemäßen Endpunkte für seine großartige
libirisch-ostasiatische Eisenbahn gewinnen wollte. Deshalb gab es in Ver-
bmdung mit Frankreich und Deutschland der japanischen Regierung
den „freundlichen Rat", auf Liautung zu verzichten, worauf diese Halbinsel
mit Port Arthur, wie schon vorher die südliche Mandschurei, von den Russen