II Kulturgeschichtliche Grundbegriffe.
2. bte Nomaden- oder Hirtenvölker; sie haben bereits bte wichtigsten
Tiere gezähmt (Rind, Pferd, Kamel, Schaf 2c.), haben sie benmach jahraus,
jahrein zu ihrer Verfügung unb sinb nicht mehr auf bas oft zufällige Jagd-
glück unb Fangergebnis angewiesen. Fleisch unb Milch ber Tiere dienen zur
Nahrung, bas Fell, unter Umstänben schon bte Wolle allein in irgend einer
Verarbeitung, zur Kleibung. Jagd unb Fischfang verschwinden nicht, sinb
aber nicht mehr Hauptbeschäftigung, sondern nur Nebenbeschäftigung. Waffen
und Hund benutzt man vor allem zur Verteidigung gegen feindliche Menschen
und Tiere. Feste und dauernde Wohnsitze sind noch nicht möglich; denn
wenn der Pflanzenwuchs einer Gegend abgeweidet ist, muß eine andere aus¬
gesucht werden. Diese Völker rechnen wir im allgemeinen zu den Natur¬
völkern , obwohl sich unstreitig einzelne Keime von Kultur auch bei ihnen
finden (Kunstfertigkeit bei Herstellung von Waffen, bei Verarbeitung der
Wolle, bei Erfindung von Schutzmaßregeln u. dgl.). Sogar Keime rein
geistiger Kultur sind vorhanden; z. B. haben Hirten naturgemäß mehr freie
Zeit als Jäger und tief angelegte Menschen benutzen dieselbe, um über die
Geheimnisse der sie rings umgebenden Natur nachzudenken und so den sich
immer mehr regenden Wissenstrieb zu befriedigen. Damit haben wir
die ersten Keime der Wissenschaft. Auch die Anfänge der Mufik werden
auf dieser Kulturstufe erscheinen: der Hirt kann bei seiner Beschäftigung
singen und sich aus dem Schilsrohr der fließenden Gewässer, wohin er seine
Tiere zur Tränke treibt, eine Pfeife oder Schalmei (Syrinx) schnitzen, während
der Jäger bei seiner Beschäftigung in der Regel tiefste Stille beobachten
muß, um das vorsichtige Wild nicht zu verjagen. Trotzdem rechnet man die
Jäger- und Hirtenvölker im allgemeinen zu den Naturvölkern. Solche
Naturvölker gibt es heutzutage nur noch wenige, z. B. die Eskimos und
sonstige Bewohner der Polarländer, einzelne Jndianerstämme in Nord- und
Südamerika, die Urbevölkerung Australiens und der Südseeinseln, Zentral-
und Südafrikas, die Nomadenstämme Jnnerasiens u. dgl. Doch kommen
auch diese sog. Naturvölker schon seit längerer Zeit mit den eigentlichen
Kulturvölkern in immer engere Berührung und haben deshalb viel von
ihnen angenommen.
Die Voraussetzung für jede höhere Kultur ist aber die Seßhaftigkeit.
Seßhaft kann ein Volk nur dann werden, wenn es durch irgend ein Interesse
an einem bestimmten Boden oder Platze festgehalten wird. Dieses Interesse
findet sich bei den
3. ackerbautreibenden Völkern. Sobald dieselben den Samen oder
Keim der Erde anvertraut haben, müssen sie selbstverständlich an demselben
Ort bleiben, um ernten zu können, wenigstens eine gewisse längere Zeit.
Dadurch werden sie veranlaßt, ihren Wohnsitz behaglicher und gemütlicher
zu machen (Ansänge der Baukunst, Malkunst, Bearbeitung von Holz, Stein,
Metallen u. dgl.); je mehr das aber der Fall ist, desto schwerer trennen
sich die Menschen wieder von dem, auf dessen Herstellung sie so viel Mühe
und Zeit verwendet haben. Jede Verschönerung des Daseins bringt also
ein vermehrtes Streben nach Sicherung desselben mit sich, so daß auch
dadurch der Trieb zur Seßhaftigkeit verstärkt wird. Neben dem Ackerbau
verschwindet die Viehzucht durchaus nicht, wird aber den Interessen des-
selben angepaßt (Zugtiere, Düngung des Bodens n. dgl.); ebenso die Jagd,