Full text: Lehrbuch der Geschichte für realistische Mittelschulen

Hirtenvölker; Ackerbauer. III 
die sich jetzt hauptsächlich auf diejenigen Tiere erstreckt, welche den Saaten 
oder Herden gefährlich werden. 
Die erhöhten Anforderungen, welche an die körperlichen und geistigen 
Kräfte gestellt werden, dienen wiederum zur Entfaltung und Entwicklung 
derselben, namentlich der letzteren, wenn es sich darum handelt, durch Er- 
findung von Werkzeugen und Ausnutzung der Naturkräfte (Feuer, Wind, 
fließendes Wasser ?c.) die Arbeit zu erleichtern. 
Das nämliche ist aber ganz besonders auch erreichbar durch- die Arbeits- 
teilung; diese setzt wiederum ein geordnetes Zusammenarbeiten mehrerer 
neben- und nacheinander voraus und das verlangt eine gewisse Vevölkerungs- 
dichte. Sie ist die zweite Hauptvorausfetzung für höhere Kultur. Jäger 
und Nomaden können auf einem bestimmten Flächenraum nicht viele Nach- 
barn gebrauchen, da dieselben höchstens die Nahrungsmöglichkeit schmälern. 
Ackerbauer können aber auf demselben Flächenraum bedeutend mehr leben, 
obwohl natürlich auch das letztere seine Grenze hat. Bei einigermaßen 
dichtem Beisammenwohnen vermag man größere Kulturwerke in Angriff zu 
nehmen durch gemeinsame körperliche und geistige Arbeit (Bau von Dörfern, 
Städten, Straßen, Brücken, Be- und Entwässerungsanlagen). Die fort- 
schreitende Arbeitsteilung führt neben dem Ackerbau und der Viehzucht zur 
Entstehung verschiedener Gewerbe (Industrien). Auf folche Weise erzeugen 
(produzieren) dann gewisse Bevölkerungskreise von bestimmten Gütern (Pro¬ 
dukten) mehr, als sie bedürfen, entbehren dagegen andere Produkte, die sie 
nicht selbst herzustellen imstande sind. Dadurch entsteht der Handel (Aus- 
tausch von Gütern). Er ist anfangs Tauschhandel, d. h. man gibt Gut 
gegen Gut. Da aber der Wert der Güter fehr ungleich und wechselnd ist, 
so braucht man bald einen festen Wertmesser (Geld, Münzwesen). Das 
Zusammenleben und -arbeiten muß nach bestimmten Regeln und Grundsätzen 
geordnet werden; hauptsächlich müssen die Rechte und Pflichten festgelegt 
werden, welche die einzelnen unter sich und der Gesamtheit gegenüber haben 
(Gesetzgebung, Rechtspflege, Bildung von Gemeinden, Staaten :c.). Das 
engere Zusammenleben stellt nun neben den höheren geistigen (Konkurrenz) 
auch höhere sittliche Anforderungen (Nächstenliebe, Opfermut für die Ge- 
famtheit). Beides macht es aber den einzelnen Familien immer schwerer, 
den heranwachsenden Kindern, also der kommenden Generation, denjenigen 
Bildungsgrad zu geben, der sie befähigt, an dem überkommenen Kultur- 
schätz weiterzuarbeiten. So gehen Erziehung und Bildung allmählich 
mehr und mehr in die Hände der Gesamtheit über (Schulen niederer und 
höherer Ordnung, Religionsgemeinschaften u. dgl.); ähnlich ist es mit 
anderen Pflichten der Familie (Kranken-, Alters-, Armenpflege u. ä.). Je 
größer und deshalb wertvoller aber der Kulturbesitz eines Volkes ist, desto 
dringender bedarf er auch einer Verteidigung nach innen und außen gegen 
störende und schädigende Einflüsse; auf diese Weise entwickelt sich das Polizei- 
und Kriegswesen. 
Wir sehen also, daß der Ackerbau die Grundlage aller höheren Kultur 
ist; ackerbautreibende Völker sind und waren deshalb alle Kulturvölker der 
Erde. Die Bedeutung des Ackerbaues hat aber ihre Grenze in der Ertrags- 
fähigkeit des Bodens. Sobald letzterer die auf ihm wohnende Bevölkerung 
nicht mehr ernähren kann, muß ein Teil derselben auswandern (Kolonien)
	        
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