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das Übergewicht in Europa. Frankreichs Handel und Gewerbfleiß hatte sich durch
Minister Colberts Bemühungen (Anlegung des Südkanals von Languedoc, der Häfen
von Dünkirchen und Brest, Stiftung von Kolonieen, Gobelins) aufgeschwungen; allein
die Aufhebung des Edikts von Nantes und die Kriege mit England (Verlust der nord-
amerikanischen Besitzungen) störten die Entwickelung der Industrie und des Verkehrs.
3. Stände. Der Bauernstand hob sich langsam wieder; allmählich
wurde nach dem Vorgange Brandenburgs auch in den meisten anderen deutschen
Staaten die Leib eigenschaft gemildert oder sogar ganz aufgehoben, vgl.
§ 53, 11; § 55, 3.
Die Bauern in Pommern sind keine leibeignen Sklaven, die verschenkt und
verkauft werden können. Sie können deshalb das als freies Eigentum besitzen,
was sie durch ihre Arbeit außer der ihnen von der Herrschaft gegebenen Gewähr erwerben,
Doch ist es außer Frage, daß Äcker, Wiesen, Gärten und Häuser, welche sie be-
sitzen, der Herrs chaft des Gutes als Eigentum gehören, daß sie selbst aber des
Gutes eigenbehörige (hörige) Unterthanen find. Sie haben zwar von den Höfen 2c. nur
geringe jährliche Pacht zu entrichten, müssen aber allerhand Dienste leisten, roie sie
zur Bestellung des Gutes nötig und an dem Orte herkömmlich sind. Auch sind sie
und ihre Kinder nicht befugt, ohne Vorwissen und Einwilligung der Gutsherr-
schaft aus dem Gute sich wegzubegeben. Es ist auch keiner von ihnen befugt, sich
ohne ausdrückliche Einwilligung der Herrschaft (oder Abfindung) einen andern Wohnort
zu suchen oder gar außer Landes zu gehen. Dergleichen Boshafte sollen nach Befinden
mit der Karre, Zuchthaus und andern Leibesstrafen belegt werden. Wenn ein Bauer
Armut oder schlechter Wirtschaft halber sich gezwungen sieht, seinen Hof zu verlassen, oder
wenn der Gutsherr ihn wegen rechtmäßiger Ursache (ungehörige Bestellung
des Ackers, Verfall der Gebäude, unregelmäßige Abführung der Gefälle u. a. m.) absetzt
(und einen andern in seinen Hof einthut), so wird er dadurch nicht frei, sondern muß um
üblichen Lohn an demselben Orte dem Gutsherrn dienenund bleibt nach wie vor
nebst seinen Kindern zu dem Gute gehörig. Verloben und Heiraten der Bauersleute
und ihrer Kinder und Dienstboten ohne Vorwissen und Bewilligung der Guts-
Herrschaft des Ortes ist bei ernster Strafe verboten. (Nach der „Bauernordnung für
das Herzogtum Vor- und Hinterpommern" von 1764.)
Der Adel drängte sich jetzt mit Vorliebe zu den fürstlichen Höfen und
ergab sich nach französischem Vorbilde einem leichtfertigen Genußleben. Doch
traten jetzt auch viele Adelige in das Heer oder in den Staatsdienst ein,
und zwar um so lieber, weil die Offizierstellen im Heere und die höchsten
Beamtenstellen fast ausschließlich dem Adel vorbehalten waren. Neben den
adeligen Beamten wurden nun auch die nicht-adeligen, welche auf den Uni¬
versitäten das römische Recht studiert hatten (Juristen), immer
zahlreicher. So bildete sich ein neuer Beamten stand, der sich wieder
Adel von den Bürgern strenge zu scheiden bestrebt war.
4. Gericht Die Hexenprozesse dauerten noch bis in das 18. Jahrhundert
hinein fort. Dann wichen sie endlich, zugleich mit anderem Aberglauben, vor der siegenden
Macht der „Aufklärung". Nachdem im ganzen (wie angenommen wird) etwa 100000