Full text: Aus dem Altertum, dem Mittelalter und der Reformationszeit bis zum Dreißigjährigen Kriege (Bd. 1)

Charakteristik der alten Germanen 93 
volles Material zum Verständnis der einzelnen Epochen; die oft poetisch 
breite und schöne Ausführung verleiht den einzelnen Bildern einen eigen¬ 
tümlichen Glanz. Die allgemeinen Gedanken und Betrachtungen regen zum 
weiteren Nachdenken und Beobachten an, und die Quellenstücke am Ende 
der Abschnitte vervollständigen das Gesamtgemälde. Siehe auch „Die 
Ahnen". 
Joh. Schern „Deutsche Kultur- und Sittengeschichte" und „Ger¬ 
mania". Der reichhaltige Stoff ist hier kürzer zusammengedrängt. In 
die lebendige Darstellung fließt überall des Verfassers Urteil; das Sub¬ 
jektive ist ein wesentlicher Charakterzug des Buches, sein Vorzug, aber auch 
sein Nachteil. Schert ist nicht bloß ein ungemein scharfer Beobachter, er 
ist auch ein schonungsloser, oft grober Kritiker. Aber die betrachtende, 
räsonnierende Weise seiner Darstellung erregt immer wieder das Interesse 
des Lesers, der die Urteile des Verfassers vorsichtig zu prüfen hat. 
§ 19. 
Charakteristik der alten Germanen. 
I. Durch die kräftigen germanischen Volksstämme sollte das römische 
Reich vernichtet werden. Von der ersten Berührung mit den Römern im 
Jahre 113 v. Ehr. bis zur Entthronung des letzten weströmischen Kaisers 
(476 n. Ehr.) sind fast sechshundert Jahre vergangen, eine Zeit, reich an 
Kämpfen, reich an Siegen auf beiden Seiten, eine Zeit gegenseitiger Annäherung 
und vielseitiger Einwirkung, in der aber dennoch die Eigenart der beiden 
Völker im wesentlichen unverändert geblieben ist. Daß es den Römern nicht 
gelungen ist, dte germanischen Gaue ihrem Weltreiche einzufügen, das ist 
hauptsächlich auf die Eigenart der deutschen Stämme zurückzuführen, 
andererseits, daß die Römer solange dem Ansturm germanischer Völker 
standzuhalten vermochten, ist wiederum nicht zum mindesten aus dem 
deutschen Volkscharakter zu erklären. 
II. Welches sind die Hauptzüge des germanischen Volkscharakters, 
und wie zeigt sich sein Einfluß in der ältesten deutschen Geschichtet 
Auffallend sind die großen Gegensätze im germanischen Volks¬ 
charakter, die sich im Leben und in den Sitten der alten Deutschen so 
wunderbar ausgeprägt haben; es sind Gegensätze, die nebeneinander be¬ 
standen, ohne sich auszugleichen, und die erst nach und nach schwanden,
	        
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