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Die Geschichte des Mittelalters
3. Die Bedeutung des päpstlichen Sieges insbesondere für
das spätere Mittelalter.
Das Papsttum hatte den Sieg davongetragen und tatsächlich das er¬
reicht, was Gregor VII. erstrebt hatte. Und doch ist die Kirche nicht das
große Weltreich geworden, das die andern Reiche beherrschte, das sie nach
ihren geistlichen Zwecken zum Heil der Menschen regieren konnte. Im
Gegenteil. Schon im 14. Jahrhundert tritt der gänzliche Bankerott des
geistig-weltlichen Idealismus zu Tage. In dem Augenblick, als die Kirche
in dem Untergang des staufischen Geschlechts ihren höchsten Triumph
feiert, beginnt ihr Verfall, die große Rückwärtsbewegung, die das Dahin¬
schwinden der geistlichen und weltlichen Macht des Papsttums erkennen
läßt. Die Tatsachen dieses Verfalls sind kurz folgende:
Am Ende des 13. Jahrhunderts geht das heilige Land verloren; zu
Anfang des 14. Jahrhunderts kommt der Papst Bonifaz VIII. in voll¬
ständige Abhängigkeit des französischen Königs Philipp IV.; selbst Rom,
die heilige Stadt, darf nicht mehr der Wohnort des heiligen Vaters sein.
Philipp trotzt dem päpstlichen Banne, legt den Geistlichen Steuern auf,
und führt mit des Papstes Zustimmung den schrecklichen Untergang des
Templerordens herbei. Schon in diesen wenigen Tatsachen kennzeichnet
sich der Untergang der päpstlichen Macht, und mit derselben schwand im
späteren Mittelalter nach und nach die Autorität ber Kirche, ihr geistiger
und geistlicher Einfluß.
Die Art und Weife, wie die Kirche ihre Macht zu be¬
haupten suchte, mußte zu ihrem Verfalle führen. Aus dem
Mißbrauch der päpstlichen Macht ist ihr Niedergang her¬
zuleiten. Jnnocenz IV. hatte die päpstliche Autorität mit allen ihren
Mitteln dazu mißbraucht, das Herrschergeschlecht der Hohenstaufen zu ver¬
nichten. Auf das deutsche Königtum konnte sich infolgedessen das Papst¬
tum in Zukunft nicht mehr stützen, den mächtigsten Bundesgenossen hatte
es verloren; jetzt fehlte ihm jede Schutzmacht gegen trotzige Vasallen,
gegen die mächtig aufstrebenden freiheitslustigen Städte. Zugeständnisse
mußten gemacht werden (namentlich gegen Karl von Anjou u. a.), oder
man übersah klug und vorsichtig die neuen Bestrebungen der Staaten und
Städte. Als dann mit Rudolf von Habsburg die Königsmacht in Deutsch¬
land erneuert wurde, stellte man sie auf ganz andere Grundlagen. Der
kaiserliche Idealismus der Hohenstaufen hatte sich überlebt; die Vergangen¬
heit lehrte die deutschen Könige, wie das Verhältnis zwischen Kaiser und
Papst sein müßte (Kurverein von Renfe, goldene Bulle). Indem der
Papst seine Autorität in der Lehre und geistigen Bevormundung der