Die Germanisierung slavischer Länder 201
Verbänden vereinigt. Aus einer großen Anzahl kleiner Völkerschaften, die
sich um eine Burg scharten, setzten sie sich zusammen; genannt seien die
Daleminzier mit der Festung Gaua bei Meißen, die Milziener um
Bautzen, die Lusitzer mit der Burg Lebusa bei Schlieben.
Außer diesen slavischen Ländern wurden Teile Ungarns und Sieben¬
bürgens, sowie das Preußenland von den Deutschen besiedelt.
2. Die fürstlichen Vorkämpfer des Deutschtums und ihre Erfolge.
Karl der Große hat zuerst den Plan gefaßt, die Slavenvölker zu
unterwerfen und zu christianisieren. Heinrich I. und Otto der Große ver¬
suchten das Werk der Germanisierung von neuem. Hermann Billnng
und Gero begründeten die deutsche Herrschaft über die Elbslaven bis zur
Oder, Polen mußte die Oberhoheit Ottos I. anerkennen, die Bistümer
Prag und Posen gehörten zur deutschen Kirche. So schien die politische
wie geistige Abhängigkeit der nordslavischen Völker vom deutschen Reiche
gesichert. — Das war der vielverheißende Anfang der Ger¬
manisierung. Aber unter Otto II. und Otto III. gingen diese Erfolge
wieder verloren; Boleslaw Chrobry begründete das polnische Reich, und
Otto III. stärkte es durch die Stiftung des Erzbistums Guefen. — Unter
Heinrich II. und den folgenden deutschen Kaisern änderte sich wenig. Die
fränkischen Herrscher verfolgten andere Aufgaben, ebenso die Hohenstaufen,
und es blieb den sächsischen Fürsten überlassen, auf eigne Hand die
Slavenpolitik fortzusetzen, wozu sie durch die Greuzkriege und die
Einfälle der Slaven genötigt waren; sie hofften ferner durch Abgaben
der unterworfenen Slavenstämme und der Kolonisten auf eine Ver¬
größerung ihrer Macht und ihres Einkommens. So kam es, daß
unter Kaiser Lothar, dem Sachsenherzog, die Germanisierung des slavischen
Ostens in großem Stile begann. Er belehnte den Grafen Albrecht den
Bären von Anhalt mit der Nordmark, der sich nach Eroberung der
Hauptstadt des Havellandes Brandenburg Markgraf von Brandenburg
nannte und nun über die sächsische Nordmark und über das Havelland
herrschte. So legte er den Grund zu dem Staate, dem in der Zukunft
eine so herrliche Geschichte ohnegleichen vorbehalten war. Hatte Albrecht
die Grenze bis an die Havel vorgeschoben, so dehnten seine Nachfolger im
13. Jahrhundert dieselbe bis an die Oder aus. Der Eroberung folgte
überall die Kolonisation uud Christianisierung. Durch die Einwanderung
der Kolonisten namentlich aus Holland entstand ein reiches Kulturleben
städtischer und dörflicher Art (Salzwedel, Tangermünde, Havelberg, Bran¬
denburg, Berlin, Frankfurt a. O., Kloster Lehnin und Chorin). Im
Sorbenlande erhielt Graf Konrad von Wettin 1123 die Mark Meißen.
In mehr friedlicher Art vollzog sich hier die Germanisierung, da große
i