280 Die Geschichte der Reformation
trotz mancher Mängel nicht veraltet erscheinen. G i n d e l y s Darstellung ist
mit peinlichster Genauigkeit und gründlichster Verarbeitung des Quellen¬
materials geschrieben; doch liest sie sich etwas trocken und langweilig, berück¬
sichtigt auch das kulturgeschichtliche Moment fast gar nicht. Zahlreich sind die
Monographien, und die größten unserer Geschichtsforscher haben sich in
diese Zeiten, wo mehr als je der Mann die Geschichte machte, vertieft.
Der Genius Rankes hat uns eine „Geschichte Wallensteins" geschenkt,
Droysen uns den nordischen Held Gustav Adolf und seinen geistigen Sohn,
Bernhard von Weimar, geschildert. In den „Monographien zur Welt¬
geschichte" handelt Schulz über den 30 jährigen Krieg und Wallenstein.
Der Folgen des großen Kampfes gedenkt T r e i t s ch k e in seiner unvergäng¬
lichen „Deutschen Geschichte". Wie Schiller den großen Dämon Wallen¬
stein, so haben im Gedenkjahre Gustav Adolfs auch Kleinere ihn ver¬
herrlichen wollen: am schönsten mutet uns Devrients Festspiel an.
3. Es sei kurz noch der Probleme gedacht, die hinsichtlich des dreißig¬
jährigen Krieges die neuere Forschung am meisten beschäftigen.
a) Man hat lange über die Frage gestritten, ob der Krieg ein
religiöser oder politischer gewesen sei, und Janssen hat Schiller den Vor¬
wurf gemacht, er habe ihn zum bloßen Religionskrieg gestempelt. Es
wird jetzt eine Verquickung religiöser und politischer Momente anerkannt,
und zwar so, daß jenen das Übergewicht für die erste, diesen für die
zweite Hälfte des Krieges zufällt.
b) In der Frage der Zerstörung Magdeburgs, in der früher alle
Schuld und alle Schandtaten auf Tilly und Pappenheim gewälzt wurden,
ist es wahrscheinlich gemacht, daß Falkenberg und die Bürger Magdeburgs
selbst den Brand angelegt haben, um ihren Feinden kein festes Bollwerk
zu lassen.
c) Über die Gründe, die Gustav Adolfs Eingreifen in die deutschen
Verhältnisse bewirkt haben, hat die Gedenkfeier im Jahre 1894 lebhafte
Debatten heraufgeführt. Wenngleich Droysens Biographie jener einseitigen
Darstellung, als ob nur religiöse Motive den Nordlandshelden nach
Deutschland geführt hätten, ein Ende bereitet hat, fo ist es doch ebenso ein¬
seitig, nur aus der großen Politik heraus seine Landung in Deutschland
zu erklären. Über die letzten Pläne Gustav Adolfs (Gründung eines
evangelischen Kaisertums im Norden Deutschlands u. s. w.) scheint das
abschließende Wort noch nicht gesprochen zu sein.
d) Seit Schiller ist auch Wallensteins Charakter und sein Zukunfts¬
plan heftig umstritten. Entgegen seiner anfänglichen Auffassung dieses
problematischen Mannes hat Schiller sein Endurteil in die Worte zusammen¬
gefaßt: „So fiel Wallenstein, nicht weil er Rebell war, sondern er re¬
bellierte, weil er fiel." Und über feiner dichterischen Arbeit schuf er sich