Full text: Vom Westfälischen Frieden bis auf unsere Zeit (Bd. 2)

124 Das Zeitalter des Absolutismus 
eine heilsame, gnädige Fügung Gottes, daß in dem furchtbaren, erschüttern- 
den Bruch des Kronprinzen irregeleitete Natur auf sich selbst und ihre 
künftigen Pflichten sich besann, ebenso wie Friedrich Wilhelms Berserkerwut 
und Jähzorn das unvergängliche Recht der Persönlichkeit hier achten 
lernte. So wuchs aus den Seelenqualen über Gefängnisschmach und 
Todesleid; aus der ernsten Arbeit in der Küstriner Kriegs- und Domänen- 
kammer, wo ihm zuerst der gescheite Hille die Wichtigkeit der Handels- 
und Wirtschaftspolitik klar machte und ihn auf Schlesien und die Oder 
hinwies; aus den Kommandojahren in Neuruppin, wo der hochfliegende 
Geist auch die Wichtigkeit des kleinlichen Drills, der ängstlichen Kleinigkeits- 
krämerei, zugleich aber auch die stolze Freude über ein schmuckes und wohlge- 
schultes Regiment kennen lernte; aus jenen Tagen tiefster Niedergeschlagenheit, 
da sein stolzer Geist noch einmal einem gleichgültigen Ehejoch sich beugen 
mußte, — tragisch wahrlich ist das Geschick seiner Gattin! — zum letzten- 
mal beweisend, daß Gehorsam und Selbstentsagung die innere Kraft der 
Persönlichkeit bereichern; aus dem Besuche endlich, der ihn nach Ostpreußen 
und Litauen führte, wo Friedrich Wilhelm gesegnet ward von vielen 
Tausenden, aus alledem wuchs ein neuer, ernster Mensch hervor, der Lebenslust 
und Freude, so lang sie ihm vergönnt waren, gerne mitnahm, aber, des Vaters 
harte Arbeit würdigend, sich streckte nach höheren Zielen. In Rheinsberg ward 
der Antimacchiavell geschrieben; beim heiteren Gespräch, geistreichen Brief- 
Wechsel, fröhlicher Gesellschaft bildete sich der feste Entschluß heraus, Preußen 
die Stelle in Europa zu verschaffen, die es trotz Österreich und der 
Mächte Neid einzunehmen imstande war. Hier auch gestaltete sich unter 
Einfluß Voltaires in ihm jene so trostlose Weltanschauung, die da wohl 
glaubte an einen Gott, der aber ohnmächtig einer keineswegs vollkommenen 
Welt gegenüberstand, die da gleichgültig hinabsah auf den an sein Schicksal 
willenlos gebundenen Menschen und schmerzlich verzichtete auf den holden 
Wahn der Unsterblichkeit, die trotzdem im tiefsten Grunde eine wahrhaft 
protestantische war, sah sie doch in der treuen, unerschütterlichen, selbstlosen 
Pflichterfüllung das Ideal ihres Lebens. — Ohne Kampf und ohne Narben 
wird man nicht zum geschichtlichen Heroen. Nur durch diesen erschüttern- 
den Bruch ward Friedrich zum hartarbeitenden, sich selbst verleugnenden 
Schöpfer der europäischen Größe Preußens. 
4. Als er, mit dem sterbenden Vater versöhnt, auf den Thron ge- 
kommen, da war es nicht das träumerischer Unklarheit vorschwebende Ideal 
des Philosophenkönigs, das ihn durchwebte, sondern Ehrgeiz und Macht- 
drang wohl, aber vor allem das ernste Bewußtsein der Pflicht, sein 
Volk zu beglücken, seinen Staat voller schwellender und unbewußter Kräfte 
groß zu machen. In kühnem Wurf stellte er die Schicksalsfrage und erkämpfte 
sich Schlesien; ruhmgekrönt kehrte er als Friedrich der Große aus dem
	        
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