Full text: Vom Westfälischen Frieden bis auf unsere Zeit (Bd. 2)

Die Begründung der preußischen Großmacht durch Friedrich II. 129 
Die Schnelligkeit der Bewegungen und die Wucht des 
Angriffes waren die Fundamentalsätze der sriederizianischen Schlachten- 
lenkuug. „Die Preußen sollen allemal den Feind attackieren", die In- 
santerie ohne Schuß mit dem Bajonett angreifen, die Kavallerie mit ver- 
hängten Zügeln und geschwungenem Säbel wie eine zerstörende Gewitter- 
wölke auf den Feind losstürzen. Die Feldherrn der alten Schule glichen 
dem Fabius, der durch Ermattung und Aushungerung des Feindes zum 
Ziel zu kommen gedachte; in Friedrich lebte die angriffslustige Seele 
Haunibals, der die Schlacht suchte und in stürmischem Angriff den Gegner 
zu vernichten gedachte. Auch seine Heeresleitung, seine Feldherrn- 
kirnst steht unter dem Zeichen der Offensive. Wohl ist er abhängig von 
dem Verpflegungssystem damaliger Zeiten, das eine allzugroße Entfernung 
der Truppen von den Magazinen (5 Tagemärsche, wie die Generale 
Ludwigs XIV., 22 Tagemärsche, wie Friedrich es gern immer gewollt 
hätte) nicht gestattete; wohl muß auch er mit kleinem, geschwächtem Heer, 
nach einer großen Niederlage (Kunersdorf) zur alten Art der Märsche 
eine Flügel, wenigstens der eine Jnsanterieflügel tatsächlich schon bei Mollwitz, so daß 
nach der Schlacht der Prinz von Oranien dem Sieger wegen der schiefen Aufstellung, 
in der er gegen das Herkommen sich geschlagen habe, Lobsprüche spendete. In der 
Schlachtdisposition, die Friedrich das Jahr darauf am 25. März in Mähren für fämt- 
liche Fußregimenter ausgab, wird es ohne weiteres vorausgesetzt, daß nur der eine 
Flügel den Angriff ausführen wird, und bei Chotusitz hat dementsprechend der rechte 
Flügel seine ganze Kraft bis zur letzten Entscheidung geschont. Am Morgen von 
Hohenfriedberg hatte der rechte preußische Flügel mit den Sachsen schon aufgeräumt, 
ehe noch der linke aufgestellt war, was in der Disposition zum Aufmarsch nicht aus¬ 
drücklich angeordnet war, sich aber von selbst aus ihr ergab. Die zwingenden Gründe, 
aus denen man bei Soor die Linke verweigerte und Hoffnung und Heil lediglich in 
die Anstrengungen der Rechten setzte, hat General Stille eingehend dargelegt. Der 
30. September 1745 lieferte den Beweis für jenen Satz, daß man in schiefer Ordnung 
eine erdrückende Übermacht überflügeln und schlagen könne. Allerdings hielt Friedrich 
dabei vorerst noch einen besonders gearteten Kampfplatz für unentbehrlich, bergiges, 
durchschnittenes Gelände, das den Gegner an der ganzen Entfaltung seiner Überzahl 
hindere: bei solchen Gelegenheiten, sagt er, auf das Beispiel eben von Soor hinweisend, 
könne seine schiefe Schlachtordnung mit Nutzen angewandt werden. 
Immer war sie zunächst nur eine Angriffsform unter mehreren. Von den 
Schlachten auf ebenem Plan, en rase campagne, erwarten die „Generalprinzipien", 
daß sie allgemein sein werde. Und daß die schiefe Schlachtordnung dem Heere noch 
nicht in Fleisch uud Blut übergegangen war, beweisen die Vorgänge zweier späteren 
Schlachten (Kolin), in denen der refüfierte Flügel die Disposition durchbrach und sich 
ungestüm auf den Feind stürzte. Erfahrungen, die dann den Feldherrn bestimmten, 
die Formen des sogenannten Echelonangriffs, den er zunächst nur für bestimmte Aus- 
nahmesälle angewendet wissen wollte, schärfer auszubilden und damit den Passivflügel 
so weit zurückzudrücken, daß ihm ein eigenmächtiges Eingreifen in den Kampf sich von 
selbst verbot (Leuthen). Auch wurde seitdem der Angriff mit nur einem Flügel als 
allgemeine, unumstößliche Regel hingestellt. 
Kauffmann, Berndt und Tomuschat, Geschichtsbetrachtungen. II. 9
	        
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