Full text: Vom Westfälischen Frieden bis auf unsere Zeit (Bd. 2)

Die Begründung der preußischen Großmacht durch Friedrich II. 149 
Priesters undenkbar geworden. „Unter den Klängen lutherischer Kirchen- 
lieber zog der preußische Grenadier zur Schlacht, bie evangelischen Sol¬ 
daten bes schwäbischen Kreises liefen schluchzend auseinanber, weil sie nicht 
gegen ihre Glaubensgenossen kämpfen wollten; in den Konventikeln ber 
englischen Dissenters beteten gottselige Prebiger für ben Makkabäer des 
Evangeliums, ben Freigeist Friebrich. Der Papst aber beschenkte den 
Feldmarschall der Kaiserin mit geweihtem Hut und Degen, und jede neue 
Siegesbotschaft aus dem preußischen Lager rief im Vatikan einen Sturm 
des Unwillens und der Angst hervor." So hat mit dem Siege eines im 
Marke protestantischen Fürsten auch der deutsche Protestantismus eine 
Großmachtstellung in Europa errungen. 
4. Elte Politik dc? „alten ckritz". 
a) Es war für Friedrich nach dem Siebenjährigen Kriege unum- 
gänglich, um sich gegen die Rachegedanken des Wiener Hofes zu schützen, 
jener gefährlichen Vereinzelung seines Landes vorzubeugen, und da er Eng¬ 
land seine Treulosigkeit vom Jahre 1762 nie verzieh, ba Frankreich jede 
Verbindung mit Preußen mied, so blieb ihm nur Rußland als Verbündeter 
übrig. Aus dieser Gemeinschaft sollte sich ihm nach langen, oft auch sehr 
gefährlichen Wirren jener phantastische Gedanke seiner Jugend verwirklichen, die 
Erwerbung des polnischen Preußens. ' Seit dem Nordischen Krieg stand 
das verfaulte Reich des somatischen Adels unter Obhut Rußlands. Der 
Schützling Katharinas, Stanislaus Pouiatowski, war 1764 zum König 
erwählt worden. Als Elisabeth in ihrem Streben, die Ohnmacht und 
Zerrissenheit Polens zugunsten Rußlands zu verewigen unb immer mehr 
das Land russisch zu machen, in einen Krieg mit Polen verwickelt wurde, 
dem ein solcher gegen die Türkei sich anschloß, als fast ein allgemeiner 
europäischer Krieg auszubrechen drohte, da erschien schließlich der Gedanke 
einer Teilung Polens als der einzige Ausweg aus all diesen Wirren. 
Preußen erhielt 650 Quadratmeilen mit 600 000 Bewohnern, Westpreußen 
mit Ermland, mit Ausnahme von Thorn und Danzig, das ein Freistaat 
wurde, und den Netzebezirk. 
Damit war die so längst notwendige Brücke zu dem alten Ordens- 
land geschlagen und Ostpreußen hinangerückt an den lebendigen Mittel- 
puukt des Staates; Westpreußen aber erblühte unter der sorgenden Hand 
Friedrichs sichtlich. Damit war alte Verschuldung gesühnt; was einst der 
preußische Ritterorden in heißem Kampf erworben, was das zucht- und 
bildungslose Polentum der Verwüstung und Zerrüttung hatte anheimfallen 
lassen, der Erbe des Ordenshochmeisters hat dies Land dem Deutschtum 
zurückgewonnen, und damit nicht nur Preußen eine notwendige Ergänzung, 
sondern auch dem großen Vaterlande das Land an der Ostseeküste und
	        
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