Metadata: Vom Westfälischen Frieden bis auf unsere Zeit (Bd. 2)

152 Das Zeitalter des Absolutismus 
der aufgeklärte Absolutismus dem deutschen Volke gebracht hat, der 
preußische Staat Friedrichs des Großen als vorbildlich gelten. Ihm 
haben die besten der deutschen Fürsten, Joseph II. in Österreich, Markgras 
Karl Friedrich von Baden, Friedrich August III. von Sachsen, Karl 
August von Sachsen-Weimar, nachzustreben gesucht, wenngleich sie ihn an 
Erfolgen nicht erreichten. So wird sich naturgemäß unser Blick auf jene 
bedeutsame Entwicklung lenken, die da abseits vom preußischen Staate, 
wenn auch unter mittelbarem Einfluß der Gestalt seines großen Königs 
sich vollzog, auf die Herausgestaltung einer neuen deutschen 
Geistesbildung. In jener Zeit, da das politische Leben zur Untätig- 
feit verdammt war, da Handel und Wandel den Geist nicht allzusehr an- 
strengten, warf sich alle überschüssige Kraft auf das geistige Leben; das 
deutsche Volk ward zum Volk der „Denker und Dichter". Durch die 
Zeiten des Pietismus und der Aufklärung, durch die Tage der Emp- 
findsamkeit und Kraftgenialität werden wir hinaufgeführt in die reinen 
Höhen der klassischen Dichtung, Philosophie und Musik, zu einer neuen 
eigenwüchsigen deutschen Geisteskultur, deren Träger der gebildete Mittel- 
stand ist. Freilich sei hier von vornherein die Ansicht abgewehrt, 
daß die eben genannten Geiftesrichtungen alle Kreise des deutschen 
Volkes erfaßt oder daß sie gar in einer gesetzmäßigen Reihenfolge ein- 
ander abgelöst hätten. Es sprudelt und wallt im Deutschland damaliger 
Tage von Leben überall: neben der vernünftigen Aufklärung findet sich 
die rührseligste Empfindsamkeit, neben der klaren Herbheit der klassischen 
Philosophie die unklare Überschwenglichkeit der Mystik. So mag es denn 
genügen, in scharfen Umrissen die Grundlinien dieser Entwicklung zu 
zeichnen, wie sie dem ordnenden Geiste des Kulturhistorikers unserer Tage 
sich darstellt. 
II. 1. Pietismus und Aufklärung. 
Die französische Bildung der „Zopf- und Puderzeit" war schließlich 
doch nur auf das Äußere gerichtet; das seine Benehmen, das nützliche 
Wissen waren ihre Hauptforderungen. Schon lange hatte sich demgegenüber 
ein Zug auf das Innerliche bemerkbar gemacht, sei es, daß er sich in die 
Erbauung der Seele durch das Kirchenlied flüchtete (Paul Gerhardt — 
Angelus Silesius), sei es, daß er in tiefsinnigen Spekulationen und ge- 
heimnisvollem Sinnieren (Jakob Böhme) sich erging. Noch mehr hatten 
dann die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges die Herzen gerührt, das 
Bedürfnis nach innerer Erhebung wachsen lassen. Alles inneren Trostes 
Quelle aber ist die Religion; da die klare und kalte Rechtgläubigkeit hier 
versagte, so fand der Pietismus fruchtbare Anknüpfungspunkte.
	        
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