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zu üben, und willig folgte sie den Gesandten ins Hunnenland. 17 Tage
dauerte die Hochzeit. Von allen Seiten kamen die Lehnsleute Etzels zu-
sammen, um die neue Herrin zu begrüßen. Unter den Helden an Etzels Hofe
ragte besonders Dietrich von Bern durch seine Tapferkeit hervor. Aus
seinem Lande vertrieben, weilte er bei dem Hunnenkönig als gern gesehener
Gast. Als Kriemhild 13 Jahre an der Seite Etzels verlebt hatte, bat sie ihn,
alle ihre Verwandten nach Ungarn einzuladen. Das geschah. Nach langer
Reise kamen sie an Etzels Hofe an. Aber kein freundlicher Empfang ward
ihnen hier zuteil. Die Knechte der Burgunder erhielten eine Herberge unten
im Schloßhofe, während die Edeln nach oben in das Schloß geführt wurden.
Als am andern Tage die Recken an der Tafel beim Mahle saßen, stürzte ein
Mann herein und rief: „Gott sei es geklagt! Alle unsere Knechte sind von
den Hunnen erschlagen!" Da sprang Hagen wild auf und rief: „Das soll
nicht ungerecht bleiben! Haltet nur die Tür zu, daß niemand entrinnt!"
Nun begann im Saale ein gräßliches Morden. Da floß viel edles Blut,
und viele der Helden fanden den Tod. Zuletzt brachte man Gunther und
Hagen gebunden zu der Königin. Nun hatte sie die Mörder ihres geliebten
Siegfried in ihrer Gewalt. Sie gab sofort Befehl, Gunther das Haupt ab-
zuschlagen; dem Hagen aber hieb sie mit eigener Hand das Haupt vom Rumpfe.
Doch da traf auch sie der Schwertschlag eines Helden, und sie sank tot zwischen
all den Leichen nieder.
Z. Die Guctrunsage.
1. Wie Gudrun geraubt ward.
Vor alten Zeiten lag im Lande der Friesen die Burg Hegelingen. Dort
wohnten der König Heitel und die Königin Hilde. Sie hatten einen Sohn,
Ortwein, und eine Tochter, Gudrun. Diese war so schön, daß viele edle
Fürsten sie zur Frau begehrten. Vergebens hatten sich schon die Könige
Siegfried von Moorland und Hartmut von der Normandie um sie be-
worben. Auch der kühne und schöne König Herwig von Seeland wurde mit
seiner Werbung abgewiesen. Das erregte seinen Zorn. Mit allen seinen
Mannen zog er vor Hettels Bnrg und erstürmte sie. Durch seinen Mut er-
oberte er sich das Herz Gudruns, und auch Heitel und Hilde gewannen ihn
lieb und verlobten ihm ihre Tochter. Als aber Siegfried erfuhr, daß Her-
wig die schöne Gudrun errungen hatte, ward er neidisch und siel in Seeland
ein, um des glücklichen Nebenbuhlers Land zu verwüsten. In seiner Not rief
Herwig den König Heitel zum Beistand herbei. Aber während Heitel in
Seeland kämpfte, fiel Hartmut von der Normandie in Friesland ein und
führte Gudrun nebst 62 andern Frauen auf seinen Schiffen hinweg. Weinend
mußte die Königin die Tochter ziehen lassen; doch sandte sie schnelle Boten,
dem Könige das Unglück zu verkünden. Mit lautem Wehgeschrei vernahmen
Heitel und Herwig die Botschaft. Auf den Rat des alten Helden Wate
schlössen sie sofort mit Siegfried Frieden und ein Bündnis und setzten mit
ihm vereint den Räubern nach.