83. Aus der EntWickelung des Kurfürstentums Hannover. 273
2. Die Residenzstadt Hannover im 18. Jahrhundert. Hannover war um
1700 eine bescheidene Landstadt von nicht 20000 Einwohnern. Der ehrwürdige
Turm der Marktkirche mit dem grünen Kupferdach und den vier Giebeln, sowie
das alte Rathaus erinnern noch an die Zeit, in der das ganze Stadtgebiet sich
um diesen Mittelpunkt gruppierte und innerhalb der Ringmauer von der Lein-,
Marstall-, Packhof-, Oster- und Köbelingerstraße begrenzt wurde. Damals bildete
das „Haus der Väter" den Hauptschmuck der Leinstraße, und an der Oster-
straße entstand der hohe, breite Giebelbau des L eib n izh aus es. Die Kaien-
berger Neustadt auf dem linken Leineufer wurde in die Umwallung eingeschlossen.
Doch wurden die beengenden Festungswerke bald durchbrochen und nach und nach
geschleift. Mitte des 18. Jahrhunderts gewann man den Raum für die Aegidieu-
Neustadt durch Niederlegen der Wälle und Ausfüllung der Festungsgräbeu.
Die geradlinig angelegten Straßen bildeten damals das vornehmste Viertel der
Stadt. Auch an den andern Stellen fielen die Festungswerke. Die alten Stadt-
wälle bepflanzte man mit Bäumen und verwandelte sie in Promenaden. Die vier
Stadttore, die jetzt verschwunden sind, wurden jedoch nach wie vor bei Einbruch
der Dunkelheit und an Sonn- und Festtagen während des Gottesdienstes „gesperrt".
Alsdann mußte jeder, der aus- oder einpassieren wollte, Sperrgeld bezahlen.
Nachts aber wurde niemand ein- und ausgelassen. An der Stelle, wo sich heute
der imposante Bau des Hoftheaters erhebt, drehte auf dem hohen Georgenwall
eine Windmühle ihre Flügel; der steile Abhang war einer der beliebtesten Spiel-
Plätze für die Kinder. Da aber, wo jetzt der verkehrsreiche Bahnhof sich befindet,
wechselte noch um 1800 grüner Weideanger mit großen Gemüsegärten ab, die von
hohen Hecken umschlossen waren. Die alten Warttürme innerhalb der Eilenriede
wurden zu Vergnügungsorten umgewandelt. Das alte Residenz schloß an der Leine
ward vielfach umgebaut. Es beherbergte zu kurfürstlicher Zeit die „Geheimrats-
Stube", die „Königliche-Kammer", die „Kriegs-Kanzlei", das „Oberhosmarschall-
Amt" und das „Hoftheater". In der Schloßkapelle wurden die unübertrefflichen
Meisterstücke byzantinischer Goldschmiedekunst aufbewahrt, die Heinrich der Löwe
aus Konstantinopel mitgebracht hatte.
3. Landesverwaltung und Rechtspflege, a. Verwaltung und
Gericht. Alle Landesangelegenheiten sollten, wie bisher, von Hannover
aus durch das Geheime Ratskollegium und die Kammer geleitet werden.
(S. 255). Unter ihnen standen die Amtleute. Jeder hatte seinen Sitz auf
einer landesfürstlichen Domäne und war nicht nur Verwalter der Domäne
und ihrer Einkünfte, sondern auch Nichter und Verwaltungsbeamter
für seinen Amtsbezirk; er übte auch die Polizei: Gesnndheits-,
Sicherheit- und Ordnungspolizei, und beaufsichtigte die Verwaltung
der Landgemeinden. Da alles, was an das Geheime Ratskollegium
ging, durch seine Hand mußte, so war der Amtmann wie ein kleiner
König in seinem Gebiet. Gehalt bekam er nicht; statt dessen wurde ihm
eine kleine Domäne gegen billige Pacht überlassen. Doch hatte der Amt-
mann kein eigenes Spannwerk, Gesinde nnd Tagelöhner. Der „Amts-
haushalt" wurde mit Frondiensten der Bauern und Amtsmeier geführt.
Noch heute erinnern in allen Teilen unserer Provinz von schönen Gärten
umgebene und festgefügte Amthäuser an die Zeit, wo der Amtmann der
Vater oder der Schrecken seiner Bauern war. — In den adeligen
Gerichten war der Gutsherr entweder selber der Amtmann, oder er
bestellte einen Gerichtshalter.
b. Landespolizei. Auch das Landespolizeiwesen, das man bis
dahin kaum kannte, erfuhr besondere Aufmerksamkeit. Von Landes
wegen beachtete man alle die Dinge, die des öffentlichen Schutzes be-
durften oder die für Land und Volk besondere Gefahren in sich bargen.
So wurde für die Küstengegenden und die Marschländer an den großen
Tecklenburg u. Querfurth. Hilfsbuch f. d. Geschichtsunterricht. Ig