Die reaktionäre Strömung im Deutschen Bunde (—1864). 143
1. Die nationalen Bemühungen Preußens und ihr Mißerfolg. Nach
der Ablehnung der Kaiserkrone wollte Friedrich Wilhelm IV. die nationale Neu¬
gestaltung Deutschlands durch Vereinbarungen mit den deutschen Fürsten an¬
bahnen. Zunächst schlossen Preußen, Hannover und Sachsen den
sog. Dreikönigsbund. Dieser Bund hätte sich durch den Beitritt der Mittel- und 1840
Kleinstaaten zu einer Union des außerösterreichischen Deutschlands erweitern
sollen und tatsächlich beriet auch ein Unionsreichstag zu Erfurt bereits eine 1850
hiefür bestimmte Verfassung. Aber Österreich wußte nicht nur Bayern und
Württemberg von der angestrebten Union fernzuhalten, sondern auch Sachsen
und Hannover zum Abfall vom Dreikönigsvertrag zu bewegen. Schließlich
gewann Österreich die meisten Mittel- und Kleinstaaten zur Wiedereröffnung 1850
des Bundestages. L Sept.
Ebenso mißlang der Versuch Preußens, die Schleswig-Holsteinische Frage
zu lösen. Nach dem Ablauf des Waffenstillstandes von Malmö waren die Feind- 1840
seligkeiten wieder ausgebrochen, wobei deutsche Strandbatterien einen rühm- mx>
lichen Sieg über dänische Kriegsschiffe vor Eckernförde (nördl. v. Kiel) April
errangen; außerdem erstürmten sächsische und bayerische Truppen, letztere unter
Oberstleutnant v. d. Tann, die D ü p p e l e r Schanzen (d. Insel Alfen Apru
gegenüber). Aber England und Rußland wollten nach wie vor in eine Tren¬
nung der Herzogtümer von Dänemark nicht willigen; auch fing Friedrich Wil¬
helm an, ganz im Sinne Österreichs die Erhebung der Schleswig-Holsteiner als
eine „Revolution" zu betrachten. Deshalb wich Preußen wieder zurück und
überließ durch einen abermaligen Waffenstillstand (Juli 1849), dem
dann der Friede mit Dänemark folgte, die Herzogtümer ihrem Schicksal. Diese 1850
setzten den Kampf noch einige Zeit fort. Als aber die preußische Regierung sich I»u
in Olmütz (s. unten) ganz der österreichischen Auffassung angeschlossen hatte,
erzwangen Preußen und Österreich die Einstellung der Feindseligkeiten seitens
der Schleswig-Holsteiner. Durch das von allen europäischen Großmächten unter¬
schriebene Londoner Protokoll wurde dann Christian von Glücksburg als Thron- 1852
folget des dänischen Gesamtstaates (also mit Einschluß Schleswig-Holsteins und
Lauenburgs) anerkannt. Doch sollten die Herzogtümer eine eigene Verfassung
und Verwaltung erhalten.
Nicht minder mißglückte der Versuch einer Forderung der liberalen Sache.
Als in Kurhessen der Minister H a s s e n p s l u g die Verfassung aufzuheben 1850
trachtete und dazu die Hilfe des wiederhergestellten Bundestages erbat, wollte
Preußen die konstitutionelle Partei unterstützen. Schon standen sich preußische
und bayerisch-österreichische Truppen bei B r o n z e l l (südl. v. Fulda) gegen¬
über. Da aber Preußen auch in dieser Sache den deutschen Bundestag, Öster¬
reich und Rußland gegen sich hatte, erfolgte ein grundsätzlicher Umschwung der
preußischen Politik: bei einer Besprechung des preußischen Ministers Mon¬
te u f f e I mit dem österreichischen Minister Schwarzenberg zu Olmütz 1850
willigte Preußen in die Auslösung der Union, in die Anerkennung des Bundes- Nov.
tages sowie in die Preisgabe der Elbherzogtümer und der kurhefsischen Ver-
fasfungspartei.
Ter Bundestag nahm nun feine alte Tätigkeit wieder aus, verkaufte in
öffentlicher Auktion die vom Frankfurter Parlament begründete deutsche Flotte,
setzte die „Grundrechte", soweit sie nicht von den Einzelstaaten selbst angenommen 1851
worden waren, außer Kraft und suchte überall die liberalen Einrichtungen der