Full text: Die Ausgestaltung der europäischen Kultur und deren Verbreitung über den Erdball (Hauptteil 3)

24 Die Zeit Ludwigs XIV. 
ein glanzliebender, genußsüchtiger Fürst, der seine bisherige Konfession und die 
Mittel seines Stammlandes (Sachsen) der polnischen Schattenkrone opferte. 
11676 In Rußland hatte der zweite Zar aus dem Hause Romanow, Alex ei, 
vier Kinder hinterlassen, Feodor, Iwan, Sophie (sämtlich aus erster Ehe) und Pe¬ 
ter (aus zweiter Ehe). Nach dem Tode Feodors (1682) erhielt Sophie die Regent¬ 
schaft für den geistesschwachen Iwan und den unmündigen Peter. 17 Jahre alt 
geworden, verdrängte Peter seine Stiefschwester aus der Regentschaft und über¬ 
nahm als Peter I. der Großes (1689—1725) die Alleinherrschaft. Roh und gewalt¬ 
tätig, aber in politischen und wirtschaftlichen Dingen klug und verständnisvoll 
setzte er sich ein dreifaches Ziel: 1. Einführung der westeuropäischen Kultur nach 
Rußland, 2. Erweiterung der russischen Grenzen bis zur Ostsee und zum Schwar¬ 
zen Meere, 3. Vollendung des Absolutismus. Das erste Ziel konnte nur unvoll¬ 
kommen erreicht werden, da die Masse des russischen Volkes für die abendländische 
Kultur noch nicht reif war. Vorläufig schuf sich Peter unter der Leitung des Schot¬ 
ten G o r d o n und des Schweizers L e f o r t (aus Genf) ein europäisch geschultes 
Heer und eine Flotte. Dann unternahm er zu seiner Belehrung eine Reise nach dem 
1^97/98 Westen, die ihn über Königsberg, Berlin, Amsterdam, London, Leipzig, Dresden 
und Wien führte. Unterwegs trat Peter mit verschiedenen Fürsten, wie Fried¬ 
rich III. von Brandenburg, Wilhelm IIL von Oranten, August IL dem Starken, 
Kaiser Leopold L, in persönliche Berührung, schickte angeworbene Techniker, 
Künstler, Offiziere u. dgl. als Lehrer nach Rußland und arbeitete in Amsterdam 
sowie dem benachbarten Zaandam als Zimmermann auf einer Werft. Ein Auf- 
1698 stand der Strelitzen rief den Zaren nach Moskau zurück. Der Aufstand wurde 
blutig unterdrückt; die beteiligte Prinzessin Sophie mußte Nonne werden. 
Den Zugang zum Schwarzen Meere verschaffte sich Peter durch die Betetli- 
seit 1695 gung am Türkenkriege, die ihm beim Frieden von Karlowitz A f o w einbrachte. 
Das Vordringen an die Ostsee konnte nur durch Eroberung schwedischer Küsten» 
Provinzen geschehen. Zu dem Zweck verbündete sich Peter mit August II. von Polen- 
Sachsen und mit Dänemark: August II. wollte Livland gewinnen, Dänemark 
dem Herzog von Holstein-Gottorp, einem Schwager Karls XII., seinen Anteil an 
Schleswig-Holstein entreißen. Dies führte zum Nordischen Krieg. 
2. Karls XII. Siegeszüge bis 1706. Die Feindseligkeiten begannen 
mit einem Einfall der D ä n e n in das Gottorpsche Schleswig, der S a ch - 
s e n in Livland und der Russen in Jngermanland (Belagerung von 
Narwa). Aber zum Erstaunen seiner Zeitgenossen entwickelte der junge 
Wittelsbacher eine unerwartete Tatkraft. Rasch landete er in Seeland, 
bedrohte Kopenhagen und zwang die erschreckten Dänen durch den Frieden 
1700 von Travendäl (zwisch. Hamburg u. Kiel) zum Rücktritt vom schweden- 
”ug' feindlichen Bund und zur Entschädigung des Herzogs von Gottorp. Dann 
«ov. setzte Karl ebenso schnell über die Ostsee und schlug die überlegenen Russen 
1701 vor Narwa. Nun rückte Karl in Polen ein, um dem ihm persönlich 
verhaßten August II. die polnische Krone zu entreißen. Dies kostete den 
siegreichen Schwedenkönig sechs Kriegsjahre; denn August II. wollte 
1704 den von KarlXII. erhobenen Stanislaus Leszczynski nicht 
*) Den Beinamen „der Große" führte Peter strenggenommen erst seit der siegreichen 
Beendigung des Nordischen Krieges (1721).
	        
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