Full text: Die Ausgestaltung der europäischen Kultur und deren Verbreitung über den Erdball (Hauptteil 3)

42 Die Zeit Friedrichs des Großen. 
mathematisch-naturwissenschaftlichen Studien, die über¬ 
dies durch wichtige Erfindungen (des Femrohres, Mikroskopes, Baro¬ 
meters, Thermometers usw.) gefördert wurden, anderseits die philo¬ 
sophisch-historischen, die über Wesen und Ziele des Staates, 
des Rechtes und ähnlicher sozialer Begriffe „Klarheit" schaffen sollten. 
Die Bewegung hatte aber auch eine sehr praktische Seite, indem sie das 
Leben sowohl des einzelnen als der Gesamtheit in voller Freiheit, aus¬ 
schließlich nach Vernunftsätzen und nach den Forderungen des Gemein¬ 
wohles einrichten wollte (vgl. S. 2). 
Die Hauptvertreter der Aufklärung waren gegen Ende des 17. und im Verlauf 
des 18. Jahrhunderts eine Reihe englischer Forscher (Locke, Hunte und die sog. 
Deisten). Deren Anschauungen wirkten auf die Philosophie dK Kontinentes, so auf 
die deutsche (Leibniz, Wolff, Lessing, Kant) und besonders auf die französische 
(Montesquieu, Voltaire, die Enzyklopädisten und Rousseau). Durch Vermittlung 
der Franzosen verbreiteten sie sich dann noch weiter über den Kontinent und 
fanden einflußreiche Förderer in hervorragenden Fürsten und Staatsmännern. 
1 1704 a) Die Aufklärung in England. John L o ck e unterwarf alles Wissen dem 
scharfen kritischen Verstände und ging von bemSatze aus: „Mchts läßt sich er¬ 
kennen, was nicf)t sinnlich wahrgenommen ist". Somit sind nur die (äußere) Er¬ 
fahrung (Empirie) unZftue (innere) Überlegung (Reflexion) die Quellen mensch¬ 
licher Erkenntnis. Der Staat beruht nach Locke nicht auf göttlicher Einsetzung, 
sondern auf einem Vertrag zwischen den Herrschenden und den Untertanen; denn 
ursprünglich waren alle Menschen völlig gleichberechtigt und übertrugen freiwillig 
einem oder mehreren die Herrschaft um der Ordnung und Sicherheit willen. Wegen 
f 1776 dieser Lehren nannte man Locke den „Vater der Revolution". — David .fi it m e, 
der „Philosoph des Zweifels", wollte als Gegenstände der menschlichen Erfenrit* 
nis nur Tatsachen der Erfahrung gelten lassen. Etwas Übernatürliches gibt es 
nach ihm nicht. Sittlich wertvoll sind nur „soziale" Tugenden, d. h. solche, die 
den Mitmenschen nützen, wie Gerechtigkeit, Menschenliebe, Opfermut u. dgl. — 
Der Deismus verwarf die Lehre von der Dreieinigkeit und wollte das höchste 
Wesen nur in e i n e r Person verehrt wissen. Dieser „Gott" (Deus — daher der 
Name) ist der Urheber aller Dinge. Doch kümmert sich Gott nicht weiter um die 
Welt und die Einzelmenschen. Deshalb bestritten die Deisten jede Offenbarung, 
forderten eine sog. V er nun s t r eI i g i o n (ohne Dogmen) und verlangten 
Gleichberechtigung aller Glaubensbekenntnisse. 
Die neuen Gedanken wurden auch durch den in London gegründeten Frei¬ 
maurerorden verbreitet, der bald in Frankreich, Deutschland, Österreich und den 
übrigen Kulturländern Eingang fand. Eine Nachbildung desselben war der Illu¬ 
minatenorden in Bayern. 
1 1755 b) Die Aufklärung in Frankreich. Montesquieu bekämpfte in seinem 
„Geist der Gesetze" den Absolutismus und verlangte eine konstitutionelle Monarchie 
(Anhang S. VII), wie sie in England zu finden war1). Dabei müßten die drei Arten 
der staatlichen Gewalt, nämlich die gesetzgebende, die vollziehende und die richten 
2) Die Ansätze zn einer konstitutionellen Monarchie wären auch in Frankreich vor- 
Handen gewesen, z. B. in den Reichsständen, wurden indes durch Richelieu, Mazarin 
und Ludwig XIV. unterdrückt.
	        
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