Full text: Die vorchristliche Kulturwelt (Hauptteil 1)

Die Kultur des Hellenismus. 
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ihnen zu monarchisch regierten größeren Staaten gehörten. Selbst zwischen 
diesen erwies sich trotz aller Gegensätze die gemeinsame hellenische Bildung 
als ein verknüpfendes Band. Der Begriff „Hellene" bezeichnete in geistig- 
sittlichem Sinne eine Art Weltbürgertum, wie in der späteren römischen v ^vv . 
Kaiserzeit in politischem Sinne der Begriff „Römischer Bürger". 
Auf wirtschaftlichem Gebiete machte sich ein bedeutender Aufschwung 
bemerkbar. Industrie und Handel blühten wie nie zuvor. Dabei waren 
aber nicht mehr wie zur Zeit des Perikles Athen und Syrakus die Haupt- 
schauplätze, sondern vor allem Alexandria, dann Rhodus und im 
Westen das semitische Karthago. Im Mutterlande behauptete höch- 
stens noch K o r i n t h seine frühere Bedeutung. Mit der Blüte der In- 
dustrie ging Hand in Hand ein gewaltiger Fortschritt der Technik: sinnreich 
ausgedachte Maschinen, kühne Brückenbauten, riesige Prachtschiffe, Kolossal- 
statuen, wie der vielbewunderte K o l o ß zu Rhodus1), hochragende steinerne 
Leuchttürme, z. B. der berühmte Ph arus auf der gleichnamigen Insel 
vor Alexandria, u. dgl. zeugten von dem Scharfsinn und der Geschicklich- 
keit der hellenischen Techniker. — Der infolge des wirtschaftlichen Auf- 
schwuugs sich anhäufende Reichtum kam allerdings vorzugsweise den 
oberen Klassen zugute, deren Luxus und Prachtliebe einerseits wohl eine 
rege Pflege der Kunst und des Kunsthandwerks zur Folge hatten, ander- 
seits aber im grellen Gegensatze standen zu der bitter empfundenen, immer 
mehr überhandnehmenden Verarmung weiter Volkskreise. 
b) Kunst und Wissenschaft. 
Die Kunst diente vor allem zur Verherrlichung und zum Schmuck 
der F ü r st e n h ö s e sowie der Wohnstätten reicher Privatleute. Die 
Wissenschaft wurde mehr und mehr von einem eigenen Gelehrten- 
stand gepflegt und verriet eine Vorliebe für Naturwissenschaften, 
Mathematik, Erdkunde und Geschichte. Das Hauptverdienst der helle- 
nistischen Kunst und Wissenschaft liegt aber in der wenigstens teilweisen 
Erhaltung der klassischen Schätze, d. h. der künstlerischen und literarischen 
Erzeugnisse der sog. klassischen Zeit. Die hellenistischen Künstler schufen 
nämlich neben selbsterdachten Werken häufig auch Nachbildungen der 
damals noch vorhandenen älteren Kunstwerke und retteten dadurch die 
Originale vor der völligen Vergessenheit. Das gleiche Verdienst erwarben 
sich die hellenistischen Gelehrten um die Literatur, indem sie die Geistes- 
werke älterer Dichter und Schriftsteller sammelten, vervielfältigten und 
auf diese Weise gleichfalls vor der Vernichtung bewahrten. 
1. Die Baukunst gefiel sich in der prunkvollen Ausgestaltung des Korinthi- 
scheu Stiles verbunden mit üppiger Verwendung kostbaren Steines und 
x) Nach etwa 50 jährigem Bestand durch ein Erdbeben vernichtet.
	        
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