Full text: Die vorchristliche Kulturwelt (Hauptteil 1)

4 
Die semitischen Völker. 
Industrie und Handel setzen auch eine fortgeschrittene Städteentwicklung 
voraus; B a b e l und N i ni v e z. B. bedeckten nach Angabe der Alten1) 
mehrere Quadratmeilen Land. 
Dieser vielseitigen Kultur entsprach auch eine geistreiche Gesetzgebung 
(Hammurabi). — Baukunst, Bildhauerei und Malerei waren hochentwickelt. 
Von den Wissenschaften pflegten die Semiten die Medizin und die Mathe- 
matik in Verbindung mit der Astronomie (Himmelskunde), die häufig 
zur Astrologie (Sterndeutekunst) wurde. Hierzu erfanden sie ein brauch- 
bares Zahlensystem; diesem legte man die mehrfach teilbare Zahl 
12 sowie Vielfache von 12, besonders 60, zugrunde. Der Scharfsinn der 
Semiten bewährte sich ferner in der Erfindung praktischer Maße und 
Gewichte. — Auch die Sprachen- und Schriftkunde fanden eifrige Pflege. 
Zahlreiche Inschriften bedeckten die Wände der Tempel, Paläste, 
Denkmäler, Gräber u. dgl.; beschriebene Tontafeln vermittelten den 
geistMN Verkehr und vertraten die Stelle unserer heutigen Briefe. 
Die religiösen Vorstellungen waren bei allen Semiten, mit Aus- 
nähme der Israeliten, ziemlich gleich. Die Naturerscheinungen und -kräste 
wurden vergöttert und zwar die nützlichen als gute, die schädlichen als 
schlimme Götter. Demgemäß war die Sonne als lebenspendende Licht- 
und Wärmequelle ein guter Gott und in der Regel der oberste; in älterer 
Zeit spielte auch der Mond eine Hauptrolle. Nacht, Kälte und Tod galten 
als schlimme Götter, ebenso übertriebene Hitze und Dürre. In richtiger 
Naturerkenntnis wurde ferner die licht- und lebenspendende Sonne als 
männlich, die licht- und wärmeempfangende Erde als weiblich betrachtet. 
Außerdem vergötterte man noch die Jahreszeiten, das Wachstum der 
Natur im Frühling und ihr Absterben im Herbst. — Eine eigenartige Aus¬ 
nahme von allen Semiten machte das Volk Israel. Bei ihm bildete 
sich der Gottesbegriff in erhabener Reinheit aus und wurde die 
Grundlage für die religiösen Anschauungen der heutigen Kulturvölker. 
Die Babylonier und Assyrer. 
Land und Bevölkerung. 
Mesopotamien (— Zwischenstromland), im allgemeineren Sinne das 
mittlere und untere Gebiet der Doppelströme Euphrat und Tigris, ist 
gewissermaßen schon von der Natur zum Mittelland Vorderasiens be- 
stimmt. Auf diesem vielumstrittenen Boden treffen wir schon im 4. Jahr- 
tausend v. Chr. zwei weit fortgeschrittene Volksstämme nebeneinander, 
x) Diese Angaben erweisen sich nach den Ergebnissen der neuesten Ausgrabungen 
als bedeutende Übertreibungen. Altbabel hatte nur 2 qkm Fläche, Ninive war aller- 
dings größer. Das Stadtgebiet Neubabylons umfaßte etwa 10 qkm.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.