Full text: Lehr- und Lesebuch oder die Vaterlands- und Weltkunde

438 
väterlichen Erbes für verlustig. Er führte den Gebrauch des Schreibpapiers 
in Russland ein, und schaffte eine Buchdrnckerei von Holland nach Moskau. 
Im Jahre 1703 legte er den ersten Grund zu einer neuen Stadt, die nach 
seinem Namen Petersburg heisst. Um den Bau schnell zu betreiben, wur¬ 
den Tausende von Bauern, zum Theil aus einer Entfernung von 2—300 Mei¬ 
len, nach der Newa zusammengetrieben. Die Armen fanden hier weder 
Obdach, noch Lebensrnittel, noch Handwerkszeug. Aber es arbeiteten täglich 
20,000 Menschen, und das Werk ging zusehends von Statten. Die ersten 
Gebäude waren elende hölzerne Hütten, auch fehlte es an Einwohnern. Bald 
liessen sieh jedoch hier viele Tiefländer und andere nieder, die im Kriege 
ihre Häuser verloren hatten, auch Matrosen und Schiffbauer, weil Peter in 
der Nähe grosse Schiffswerften anlegte. Auch errichtete er eine Apo¬ 
theke, eine Sternwarte und eine Akademie der Wissenschaften daselbst und 
schaffte die sklavische Sitte ab, vor dem Zar niederzufallen, verbot die Glück¬ 
spiele, stiftete Hospitäler, Waisen- und Arbeitshäuser, führte Brief- und Reise¬ 
posten ein, verbesserte das Mass- und Münzwesen, beförderte den Handel 
und brachte durch Berufung ausländischer Handwerker und Künstler die Ge¬ 
werbe in Aufnahme. Das Alles war die Frucht seiner Reisen, dass er Alles 
im Auslande mit empfänglichem Sinne für das Gute und Nützliche mit eige¬ 
nen Augen gesehen und, wo er nur immer konnte, selbst mit Hand angelegt 
hatte. Jetzt sah er erst, wie weit sein Volk noch gegen das Ausland zurück 
war; jetzt wusste er aber auch, was er thun und wie er es angreifen müsse, um 
den Grund zu seiner Bildung zu legen. Und wenn es ihm auch nicht ge¬ 
lang, Alles so herzustellen, wie es vor seiner Seele stand, vorzüglich, da er 
die längste Zeit seiner segensreichen Regierung mit auswärtigen Feinden 
Krieg zu führen hatte, so hat er doch den Ruhm für sich, der wahre Grün¬ 
der von Russlands Macht und Grösse zu sein. Er starb 1725. 
26. Washington. Franklin. 
Der nördliche Theil Amerikas wurde erst spät von den Europäern 
angebaut; denn die ganze Gegend schien ihnen bei ihrer ersten Landung nur eine 
große Wildniß und das Klima sehr rauh zu sein. Dichte Urwälder, in denen 
wilde Indianer ihr Wesen trieben, und unermeßliche Sümpfe schreckten die ersten 
Europäer von diesen unwirthlichen Gegenden ab, in welchen sie nicht, wie an den 
schönen Küsten Mexiko's und Peru's, Gold und Silber zusammenraffen 
konnten. Erst 1584 wurde von England aus die erste Colonie gegründet 
und zu Ehren der Jungfrau-Königin Elisabeth Virginien genannt. Dies erste 
Beispiel fand bald Nachahmung. Zwar hatten die ersten Coloniften viel von den 
Angriffen der Wilden zu leiden, allmählich aber trat ein erträglicher Verkehr, 
besonders durch den Handel, zwischen den Ureinwohnern und den Ansiedlern aus 
Europa ein. Mit jedem Jahre kamen nun Einwanderer auch von anderen euro¬ 
päischen Nationen herüber, größtenthcils unternehmende, freiheitsliebende Männer, 
die, um den kirchlichen oder bürgerlichen Bedrückungen im Mutterlande zu ent¬ 
gehen, in dem neuen Erdtheile einenTJufluchtsort suchten und fanden. So entstand 
eine lange Reihe von Niederlassungen und von Ansiedler-Gebieten oder 
Provinzen, unter denen Pensylvanien mit der Hauptstadt Philadelphia sich 
besonders hervorthat. 
Alle Colonisten, aus welchem Lande sie immer waren, erkannten die Ober¬ 
hoheit Englands an und trieben fast ausschließlich Handel mit diesem Reiche; 
England seinerseits pflegte auch die nordamerikanischen Colonien und schützte 
sie gegen alle auswärtigen Angriffe. Es brachte sie durch großen Aufwand zu 
einer solchen Blüthe, daß die Zahl der Bürger binnen 150 Jahren zu drei Mil¬ 
lionen anwuchs. Deshalb verlangte aber England auch Abgaben, welche die 
Amerikaner jedoch nur unter der Bedingung entrichten wollten, daß sie dieselben 
durch ihre Abgeordneten, welche man in das engliscke Parlament aufnehmen 
sollte, erst bewilligten. England bedachte nicht, daß den Staatsbürgern, welche
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.