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Handel mit Ablaß und Ämtern, die Geistlichkeit war in Üppigkeit 
und Sittenlosigkeit versunken. Alle Welt sehnte sich nach einer 
Verbesserung der Kirche an Haupt und Gliedern. 
Sigismund ergriff mit Eifer seine Aufgabe und bewog den 
Papst Johann XXIII., eine Kirchenversammlung (Konzil) nach 
Konstanz (Kostnitz, am Bodensee) auszuschreiben, die im November 
1414 auch eröffnet ward und bis 1418 dauerte. 
Eine großartigere und glänzendere Versammlung hatte die Welt noch 
nicht gesehen. Aus Italien, Deutschland. Frankreich, England, Dänemark, 
Schweden, Polen und Ungarn waren Teilnehmer geistlichen und weltlichen 
Standes herbeigeströmt. Die Fürsten wetteiferten mit einander an Glanz 
und Pracht, die Geistlichen und Doktoren an Gelehrsamkeit und Beredsam¬ 
keit. Außer deu Patriarchen, Kardinälen, Erzbischöfen, Bischöfen, Äbten, 
geringeren Priestern und Abgeordneten der Universitäten, außer den Fürsten 
und Herren war eine unzählige Menge von Wechslern, Kaufleuten, Krä¬ 
mern und Abenteurern aller Art und aller Sander dorthiu gekommen. 
Einmal sollen 100 000 Fremde und 30 000 Pferde gezählt worden sein. 
Die gewöhnliche Zahl der Anwesenden war 80 000; alle Sprachen des 
Abendlandes hörte man dort reden. 
Diese Kirchenversammlung hatte eine dreifache Aufgabe zu lösen: 
einmal sollte die Spaltung der Kirche durch drei Päpste beseitigt 
und ein Papst als der allgemein anerkannte aufgestellt, sodann 
die Verbesserung der Kirche in ihren Dienern vorgenommen, end¬ 
lich die von der katholischen Kirche abweichende Lehre des Johann 
Huß untersucht werden. Von den drei Päpsten erschien nur 
Johann XXIII. 
Johann war in seiner Jugend Seeräuber gewesen und hatte auch als 
Papst sein sittenloses Leben fortgesetzt. Als auf dem Wege über die Alpen 
sein Wagen umschlug und seine Diener fragten: „Heiliger Vater, gebricht 
Eurer Heiligkeit auch etwas?" antwortete er: „Ich liege hier'in des 
Teufels Namen!" — Als er in die Nähe von Konstanz kam, rief er: „Das 
sieht aus wie eine Grube, in der man Füchse sängt!" 
Johann hoffte durch die große Menge italienischer Geistlichen, 
die er mitgebracht, bei den Abstimmungen die Oberhand zu.ge¬ 
winnen, aber ev tocut) gleich anfangs beschlossen, daß nicht nach 
Köpfen, sondern nach Nationen gestimmt werden sollte. Man 
nahm daher vier Hanptnationen an, die deutsche, französische, eng¬ 
lische und italienische, von denen jede erst in besonderen' Ver-
	        
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