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B. Vom Westfälischen Frieden bis zur ©egentoart.
Karl war mit einem größeren Heere nach Orleans geeilt, hatte diese
Stadt durch mehrere Schlachten erobert und die französische Loire-Armee
zersprengt. Als die Zersprengten sich im Westen wieder sammelten und
verstärkten, marschierte er dorthin und vernichtete sie bei Le Mans
1871 (10.—12. Januar). Acht Tage später schlug General Goeben, der
jetzt an Manteuffels Stelle den Oberbefehl führte (s. u.), den Feind bei
St. Quentin. Damit waren alle Versuche, Paris zu entsetzen, ge-
scheitert,- deshalb erbaten und erhielten die Franzosen schon nach wenigen
Tagen einen Waffenstillstand (s. it.).
Weil auf dem südöstlichen Kriegsschauplätze noch keine Ent¬
scheidung erfolgt war, blieb dieser von dem Waffenstillstände ausge-
schloffen. Gegen Weihnachten war Bourbaki mit einem Teile der zer-
sprengten Loire-Armee aufgebrochen, um das von Werder belagerte
B elf ort zu entsetzen, die deutschen Heere vom Rhein abzuschneiden und,
wenn möglich, in Süddeutschland einzudringen. Werder gab deshalb
Dijon auf, zog sich auf Belfort zurück und erwartete den Angriff, ohne
die Belagerung dieser in seinem Rücken liegenden Festung aufzuheben,
in fester Stellung am Bache Lisaine. Drei Tage lang (15. bis
17. Januar) rangen hier 45000 Deutsche gegen 150000 Franzosen!
Dies war nach König Wilhelms Zeugnis „eine der größten Waffentaten
aller Zeiten". Bourbaki gab den Angriff auf und zog sich nach Besancon
zurück, weil er erfuhr, daß ihm von Norden her Gefahr drohe. Das
deutsche Hauptquartier hatte nämlich Werders bedrohte Stellung recht¬
zeitig erkannt und ihm deshalb Anfang Januar General Mantenffel
mit einem Heere zu Hilfe geschickt. Als dieser unterwegs von Werders
Siege an der Lisaine erfuhr, beschloß er, Bourbaki den Rückzug uach
Westen und nach Süden abzuschneiden. Es gelang. Das französische
Heer überschritt, um nicht in deutsche Gefangenschaft zu geraten, die
Schweizer Grenze, wo es entwaffnet wurde. Jetzt trat auch hier
Waffenruhe ein; bald nachher zogen die deutschen Truppen in Bel¬
fort ein.
d) Belagerung von Paris; Friede. Die Belagerung der Stadt
Paris wurde von Anfang an mit Eifer betrieben- etwa 300000
deutsche Krieger hatten sich um die Stadt verschanzt. Sobald die
schweren Belagerungsgeschütze und der dazugehörige Schießbedarf ein-
getroffen waren, wurde Paris einen Monat lang beschoffen. Zu dieser
Gefahr gesellte sich in der Stadt bald der Mangel an Gas, Holz, Kohlen
uud an Nahrungsmitteln. Nicht allein Pferde, Hunde, Katzen und
Ratten, sondern auch die Tiere des Zoologischen Gartens wurden verzehrt.
Wiederholte Ausfallversuche wurden von den Deutschen zurückgeschlagen.