Full text: Historisches Bilder-Buch für die denkende Jugend

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sonstigen Anhänger der alten Ordmmg, mehrte sich von Tag zu Tag. 
Im Innern suchte besonders die über den Verlust ihrer Güter erbit¬ 
terte Geistlichkeit mit ihren Waffen sich zu widersetzen, und verweigerte 
großentheils den neuen, der Nation, dem Gesetz und dem König zu lei¬ 
stenden Eid. So entstanden zweierlei Arten Priester, constitutionelle 
und widerspenstige, beide einander als Rebellen oder Ketzer verfolgend. 
Aus das Volk wirkten hauptsächlich die Clubs, deren bedeutendster von 
dem alten Jacobinerkloster, wo er seine Zusammenkünfte hielt, seinen 
Namen hatte. Offene Gewalt vermochte, das sah man deutlich, niel)ts 
mehr über das Volk, auch stand sie dem Könige in Versailles oder Pa¬ 
ris nicht mehr zu Gebote; nichts blieb daher übrig als die Flucht, zu¬ 
mal Mirabeau, der vielleicht allein im Stande gewesen seyn dürfte, der 
Revolution zu gebieten, (1791 Merz 2.) starb, von ganz Frankreich be¬ 
trauert. Immer drohender wurde die Stellung der äußern Mächte, 
der Kaiser Leopold II. Preußen, England, Rußland, Schweden, Spa¬ 
nien, überhaupt Alles, was einen ähnlichen Umsturz der alten Ordnung 
scheuen mußte, verwarfen laut die Maaßregeln des Königs, den man 
als unfrei betrachtete, und schon zu Mantua (1791 Mai 20.) wurden 
vom Kaiser Leopold und Ludwigs bereits ausgewandertem Bruder Karl, 
Grafen von Artois, die Hülfstruppen besprochen, welche von allen Sei¬ 
ten her einfallen und dem König helfen sollten. Dieser zog jedoch vor 
sich selbst zu Helsen, und entfloh (Jun. 20.) mit seiner Familie glücklich 
aus Paris, um zu dem bei Mvntmedy unter dem treuen General 
Bouille stehenden Heere sich zu begeben. Allein durch eigene Sorglo¬ 
sigkeit wurde er zu Varcnnes (Jun. 21.) erkannt, und als Gefangener 
nach Paris zurückgebracht. Nur sein Bruder Ludwig, der Graf von 
Provence, entkam glücklich nach Eoblenz, wo sich bereits der Graf von 
Artois mit vielen tausend Ausgewanderten befand. Da schloß der Kai¬ 
ser, Friedrich Wilhelm von Preußen, und der Graf von Artois den Ver¬ 
trag zu Pillnitz (Jul. 27.), worinn die Herstellung Ludwigs in seine 
volle Königsgewalt, die Auflösung der Nationalversammlung, und die 
Zurückgabe der Feudalrechte an die im Elsaß begüterten Reichsfürsten, 
mit der Drohung Frankreich im Weigerungsfälle zu bekriegen, verlangt 
wurde. Dieß hatte zunächst keine andere Wirkung, als den Haß gegen 
die Fürsten zu vermehren, und sich auf einen Kampf bereit zu halten. 
Denn man batte den Proceß gegen den König mit möglichster Scho¬ 
nung betrieben, ihm seine königliche, seit der Gefangennehmung suspen- 
dirte, Gewalt zurückgegeben, und die, mittlerweile verfaßte, Constitution 
vorgelegt, die ihm zwar das Recht über Krieg und Frieden zu entschei¬ 
den nahm, aber persönliche Unverletzlichkeit und ein anständiges Ein¬ 
kommen sicherte. Nach einer mehrtägigen Prüfung nahm sie Ludwig 
(1791 Sept. 13.) an, und die Nationalversammlüng hob (am 29. Sept.) 
ihre Sitzungen auf. An ihre Stelle trat die gesetzgebende Versamm¬ 
lung, die fast durchaus revolutionair gesinnt, gegen die äußern Feinde.
	        
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