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Die Neue Zeit.
15. Luther, der deutsche Mann. Sein Tod. Luther hatte sich nach
seiner Verheiratung in den Räumen des früheren Augustinerklosters häuslich
eingerichtet. Hier schaltete Frau Käthe als sorgende, sparsame Wirtin. In
treuer Liebe haben die beiden Gatten einander wert gehalten in Freud' und
Leid. Eine fröhliche Kinderschar sahen sie heranblühen; aber zweimal griff auch
der Tod hinein in dieses knospende Leben. — Die Mußestunden hat Luther
am liebsten in seinem Garten oder am häuslichen Tische zugebracht, umgeben
von Frau und Kindern und einigen Freunden. Oft erschallte in der trauten
Runde froher Gesang, den Luther zuweilen auf seiner Laute begleitete.
solcher Erholungsstunden gab es nicht allzu viele, denn gewöhnlich war
er mit Arbeit überlastet. Er hatte täglich Borlesungen zu halten und oftmals
auch iu der Stadtkirche zu predige», besonders dann, wenn Bugeuhagen monate-
lang aus Urlaub war. Leute aus allen Ständen wandten sich an ihn um
Trost und Hilfe. Sem Haus war eine Zufluchtsstätte der Mühseligen und
Beladenen, Verfolgten und Bedrängten. Und von Doktor Luther schied keiner
ungetröstet. Für Notleidende hatte er stets eine offene Hand, so daß Fran
Käthe oft seiner allzn großen Freigebigkeit Einhalt tun mußte.
Den größte« Teil seiner ungeheueren Arbeitskrast widmete er der schrift-
stellerischen Tätigkeit, mochte es sich um Schriften des Kampfes, der Mahnung
oder des Trostes handeln. Viel Zeit beanspruchte auch sein ausgedehnter, alle
Verhältnisse des Lebens umspannender Briefwechsel. Jederzeit steht ihm das
rechte Wort zu Gebote: wenn er seine lieben Deutsche» zum einmütigen Kamps
wider den Türken aufruft, wenn er seine Gegner mit wuchtiger Grobheit zu
Bode» schlägt oder sie mit vernichtendem Hohn überschüttet, wenn er seinem
Söhnchen Hans von dem lustigen Märchengarten erzählt, wenn er seinem
Barbier Worte des Trostes zuspricht, weuu er an seinen „Herrn Käthe" Briese
voll Schelmerei und treuherziger Liebe richtet.
In allem, was die deutsche Nation anging, blieb Luther dem Kaiser
treu ergeben; denn die Kaiserkrone war ihm das Sinnbild der Reichsein-
heit. Wohl liebte er sein Sachsen und Thüringen, aber den Türken, den
Franzosen, dem Papst gegenüber fühlteer sich als Deutscher. Daher war
es ihm verhaßt, wenn deutsche Fürsten gegeneinander Krieg führten; nach
seiner Ansicht sollten sie ihre Streitigkeiten durch ein Schiedsgericht schlichten
lassen. — Vor allem betete Luther um die Gnade, daß nicht zu seinen Leb-
Zeiten um des Glaubens Willen das Schwert gezogen werden möge. In
Sachen der Religion solle allein mit dem Wort, dem Schwert des Geistes,
gekämpft werden.
Und diese Gnade wurde ihm zuteil. Im Winter 1546 reiste er in
seine Heimat nach Eisleben, um einen Erbstreit der mansfeldifchen Grafen
schlichten zu helfen. Nachdem ihm noch dieses Friedenswerk gelungen war.
1546. entschlief er nach kurzer Krankheit im festen Bekenntnis der Lehre, für die
er allezeit heldenmütig gekämpft hatte. — In der Schloßkirche zu Witten-
berg, nahe der Kanzel, ruhen seine Gebeine.