Full text: Geschichte des Mittelalters bis zum Westfälischen Frieden (H. 2)

Rückblicke. 
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Nun war während der letzten Jahrhunderte in dem eigentlichen Deutsch- 
land (westlich von Saale und Elbe) die innere Kolonisation mächtig 
vorgeschritten. Ein großer Teil des Wald- und Sumpfbodens war in 
fruchtbare Ackerfluren verwandelt worden. Die Bevölkerung war stark ge- 
wachsen und mehrte sich noch immer. Da fanden sich Tausende von kräf- 
ttgen Männern bereit, in der Ferne neue Strecken Landes der Kultur zu 
gewinnen. So drangen denn die Deutschen auf der ganzen Grenze zur 
Besiedeluug des Ostens vor: in der Ostmark unter dem tüchtigen Geschlecht 
der Babenberger. das seit Otto II. hier regierte, in dem Lande nördlich 
vom Erzgebirge (Mark Meißen) unter den Wettinern, in Brandenburg 
unter Albrecht dem Bären und seinen Nachfolgern seit 1134, in Meck¬ 
lenburg nnd Westpommern, seitdem Heinrich der Löwe diese Länder er- 
obert. hatte. — Die Mönche waren oft die ersten, die mitten in der sla- 
wischen Wildnis ihre Klosteransiedlung gründeten, Gärten anlegten und 
ringsum die Ackerfurchen nach deutscher Art zogen. Dann folgten scharen- 
weise die Bauern aus dem Westen nach, und bald war das Kloster von 
einem Kranze deutscher Dörfer umgeben. — Zuweilen begab sich aus einer 
Zahl Auswanderungslustiger im Westen der Angesehenste, nicht selten ein 
Ritter, als Vertreter in das östliche Land, erkundete es und ließ sich von 
dem deutschen Landesherrn und seinen Beamten ein Gebiet zumessen, das 
zur Anlage eines Dorfes ausreichte. In langen Wagenzügen folgten ihm 
bald seine Landsleute von Westen her, und jeder erhielt seinen Anteil, der 
„Unternehmer" oft den doppelten. Er wurde gewöhnlich als „Schultheiß" 
mit der Verwaltung des Dorfes betraut. Wohnten Slawen in der Nähe, 
so nahmen sie entweder Kultur, Religion und Sprache der Einwanderer 
an oder wanderten bald nach Osten aus, wo sie ihresgleichen fanden. — 
In der Zeit vor 1200 vollzog sich die deutsche Besiedeluug fast aus- 
schließlich in der Anlage von Dörfern; im 13. Jahrhundert ist dann 
die Mehrzahl der deutschen Städte auf slawischem Boden entstanden (be- 
sonders in Mecklenburg, Pommern und Schlesien). 
Deutsche Mönche waren es, die die deutsche Kultur noch einen Schritt 
weiter nach Osten getragen hatten, nach Schlesien. Von 1200 an voll- 
zog sich die Germanisierung dieses Landes äußerst rasch, da die einheimischen 
Fürsten aus dem Geschlecht der Piasten deutsche Kolonisten ins Land 
riefen. Ganz Nieder- und Mittelschlesien bedeckte sich mit deutschen Dörfern 
und Städten. 
Noch früher hatte in die Länder an der Ostsee bis zum Finnischen 
Meerbusen (Kurland, Livland, Estland) eine starke deutsche Einwanderung 
stattgefunden. — Deutscher Unternehmungstrieb hatte ganze Scharen von 
Ansiedlern nach Siebenbürgen geführt, wo unter ihren Nachkommen noch 
heute deutsches Volkstum blüht.
	        
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