Full text: Geschichte des Mittelalters bis zum Westfälischen Frieden (H. 2)

Rückblick, 
105 
ehrten sie wie eine Heilige; die Engländer dagegen verloren in abergläubischer 
Furcht den Mut. Nach einigen weiteren Siegen nahm sie Reims ein, wo 
die feierliche Krönung stattfand. Aber das Glück blieb ihr nicht treu. Der 
Versuch, Paris den Engländern zn entreißen, mißlang, und bei einem Ausfall 
aus der Festung Compiegne geriet Johanna in die Gefangenschaft der Bnr- 
guuder. Sie wurde von Herzog Philipp an die Engländer ausgeliefert, nach 
Ronen ins Gefängnis gebracht, nach einem langwierigen Prozeß 1481 von 
französischen Richtern als Hexe verurteilt und verbrannt. Der König tat nichts 
zu ihrer Rettung. Fünfundzwanzig Jahre später ließ er auf Ansuchen der Familie 
ihren Prozeß nochmals prüfen, und sie wurde für unschuldig erklärt. (Schiller: 
Jungfrau von Orleans.) — Der Mut der Jungfrau hatte sich aus ihr 
Volk übertragen. Die französischen Waffen waren wieder siegreich, der Herzog 
von Burgund söhnte sich mit Karl VII. aus, und die Engländer wurden all- 
mählich aus Frankreich verdrängt. — Nach dem Tode Karls des Kühnen fiel 
auch Burgund an Frankreich, das jetzt geeinigt und stark dastand. 
Rückblick. 
Im Altertum waren die sonnigen Länder am Mittelländischen 
Meere die Stätten der Bildung und der Machtentfaltung; im Mittel¬ 
alter geschahen die wichtigsten Ereignisse in den rauheren Ländern nördlich 
von den Alpen. Die alten Griechen und Römer vertrauten sich dem 
Schutze der olympischen Götter; im Mittelalter beherrschte die christliche 
Kirche die Gemüter, und bei den Deutschen fand das Christentum seine 
kräftigsten Stützen. Das mächtigste christliche Reich des früheren Mittel¬ 
alters war das fränkische, das unter Karl dem Großen die meisten kultur- 
fähigen Völkerschaften umfaßte, dann aber sich in ein ostfränkisches (deutsches) 
und ein westfränkisches (französisches) Reich teilte. Dem deutschen Reiche 
gab Heinrich I. die Form, und Otto der Große erneuerte die von Karl dem 
Großen angeknüpfte Verbindung mit Italien und Rom. Rasch stieg das 
Reich auf den Gipfel seiner Macht. Aber Italien wurde „das Grab der 
Deutschen", und die italienischen Sorgen hinderten die Kaiser vielfach, den 
deutschen Angelegenheiten ihre volle Kraft zuzuwenden und den Fürsten 
entgegenzutreten, die auf Kosten der Reichsgewalt ihre eigene Macht ver¬ 
größerten. Dazu kam der zur Zeit Heinrichs IV. ausbrechende Kampf 
zwischen Kaisertum und Papsttum, der beiden Teilen zum Schaden gereichte. 
Zur Zeit Heinrichs IV. begann die christliche Welt in den Kreuz- 
zitgett den Kampf gegen den Islam. In der Zeit der Kreuzzüge blühte 
das Rittertum auf und zugleich der Handel der Städte. Während das 
Rittertum fchuell wieder verfiel, arbeiteten sich die Städte zu immer größerem 
Wohlstande und damit zu größerer Macht empor. 
Das deutsche Reich löste sich in Einzelstaaten auf, deren Führung der größte 
unter ihnen, das nur halb deutsche Österreich, übernahm, während im 
Norden der Keim gelegt wurde zu einem and ern Großstaate, der zur 
Führung Deutschlands in späteren Jahrhunderten berufen war.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.