fullscreen: Lesebuch für gewerbliche Unterrichtsanstalten

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fühlte ich mich soweit vorbereitet, um in einem größeren Hotel den 
Abschluß meiner Ausbildung in London zu gewinnen. Es ist dringend 
zu raten, daß niemand England verläßt, ohne einige Zeit in einem 
Hotel gewesen zu sein. Ich habe dort viel für meinen Beruf gelernt. 
In keinem Lande werden großartigere und kostspieligere Diners und 
Bankette gegeben als in England. Ganz vorzüglich lernte ich 
das Tranchieren. Vor allem bereicherte ich mein Wissen durch 
die verschiedenen Namen der Nationalspeisen. Da in England 
am Sonntag alle öffentlichen Vergnügungsorte geschlossen sind, 
fand ich nur im Vereinshause anregende Zerstreuung und gute 
Unterhaltung. Besondere Freude bereitete mir die Bereicherung meines 
Wissensschatzes, die ich durch den Besuch der Sehenswürdigkeiten der 
Weltstadt nach und nach erfuhr. Am Schluß konnte ich mit Be¬ 
friedigung und gutem Gewissen auf mein Leben in London zurück¬ 
blicken. Keine Reue über verlorene Zeit und verfehltes Tun bedrückte 
mich, sondern ich schied dankbaren Herzens aus der Stadt, die meine 
Berufsbildung wesentlich gefördert, mein Wissen vermehrt und meinen 
geistigen Horizont erweitert hatte.sA Ai 
Meine Zeit in England hatte ich in bester Weise ausgenutzt. 
Aber ich sah mich nicht am Ende meiner Lernzeit. Vielmehr galt es, 
noch eine neue Schwierigkeit zu überwinden. In Paris wollte ich 
weiter streben und schaffen. Der billige und reizvolle Weg von New- 
havn nach Dieppe brachte mich meinem Ziele nahe, das ich Ende 
April erreichte. Durch Vermittlung eines Vereinshauses erhielt ich 
nach kurzer Zeit eine Stelle in einem Hotel. In Familien findet 
man höchst selten einen Platz. Die in England gesammelten Er¬ 
fahrungen, die Sicherheit in der englischen Sprache und die im Insel- 
lande erlangte größere Selbständigkeit im Auftreten und Verkehr kamen 
mir hier recht zustatten. Dieser dreifache Besitz empfiehlt und hilft 
schnell vorwärts. Vom Saalkellner stieg ich zum „Aide d’Etage" 
und Zimmerkellner auf. Mancher muß sich auch mit der Stelle eines 
„Officier" begnügen. Mit dem Erlernen der französischen Sprache 
ging es gut vorwärts, da ich Vorkenntnisie mitbrachte und fleißig 
lernte, schrieb und übersetzte. Allerdings fiel mir Französisch schwerer 
als Englisch. Aber Willenskraft und Ausdauer bemeifterlen jede 
Schwierigkeit. Ein schöner Erfolg krönte meine Anstrengungen. 
Die Prinzipale in Paris behandeln die Kellner gut. Fast jeder 
hat täglich seine freien Stunden, sei es nachmittags oder abends, um 
sich körperlich und geistig zu erholen und zu stärken. Daher werden 
die Kellner selten von Krankheiten befallen. Das Gemeinschaftsgefühl 
ist unter den Kellnern in Paris nicht so lebendig wie unter denen in 
London. Im Gewirr der vielen Vergnügungen ließ ich indessen mein 
Ziel nicht aus den Augen, ich schloß mich an strebsame und sitten¬ 
strenge Genoffen an, an denen ich einen sicheren Rückhalt hatte, und 
durch die ich an mancher gefährlichen Klippe glücklich vorüberkam. Der 
junge Freund mache es dereinst ebenso, damit er sich die Gesundheit des 
Leibes und die Reinheit der Seele ungestört und unbefleckt erhält und 
nach der Heimkehr seiner Mutter fröhlichen Herzens offen ins Auge
	        
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