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folgen," sagte er; „endloser Hader wird Frankreich zerfleischen." Zuletzt
nahm er Abschied von den Seinen unter Umarmung und Schluchzen. Am
Abend vor seinem Tode wurde die Königin mit dem Sohn und der Tochter
und der Prinzessin Elisabeth zu ihm geführt. Der Schmerz der Königin
war so heftig, daß der König auf eine zweite Zusammenkunft verzichtete.
„Nun ist auch das überwunden," sagte er nachher; „warum muß man
lieben und geliebt werden in solchen Schmerzen? Denken wir jetzt an
das eine, was not tut, an das ewige Heil." Die Königin wankte hin¬
weg durch das Vorzimmer. Als sie durch die Reihen der Gemeinde¬
beamten und Nationalgarden schreiten mußte, die dort Wache hielten, da
wischte sie die Trauen aus den Augen und sagte zornig: „Ihr seid lauter
Bösewichtel"
Nach ruhigem Schlafe erwachte Ludwig am Morgen. Er fühlte sich
anfangs schwach uud fror iu der Morgenkälte. Durch seinen Kammerdiener
begehrte er eine Schere, um sich das Haar abschneiden zu lassen; man
verweigerte sie ihm mit den Worten: „Der Henker ist gut genug dazu."
Um 8 Uhr traten die Gemeindebeamten, die ihn zur Richtstätte begleiten
sollten, in das Vorzimmer. „Ihr kommt, um mich abzuholen," sagte der
König; „vergönnet mir einen Augenblick!" Er ging in sein Zimmer und
kam mit seinem Testamente in der Hand zurück. Dauu bat er einen von
ihnen, er möge es der Behörde überreichen. Dieser antwortete rauh:
„Das geht mich nichts an! Ich bin nur hier, um euch zum Schafott
zu führen." Doch übernahm ein anderer den Auftrag. Um halb neun
Uhr trat Santerre, der Kommandant der Nationalgarde, bei Ludwig ein.
„Die Stunde ist gekommen!" sagte er. Mit einem letzten Blick auf die
Fenster der Seinen bestieg der König den Wagen. Zwei Gensdannen
nahmen auf dem Rücksitze Platz; der Zug setzte sich in Bewegung.
Das Schafott war auf dem Platze Ludwigs XV. errichtet. Die Straßen
waren mit 80000 Soldaten besetzt; Kanonen waren aufgefahren.
Nirgends blickte jemand aus dem Fenster; alle Läden waren geschlossen.
Als der König ant Schafott anlangte, riefen einige Stimmen: „Gnade!"
Dann war tiefes Schweigen. Die Trommeln wirbelten. „Still!"
rief er mit furchtbarer Stimme, warf einen Blick auf das Schloß
und stieg zaudernd aus das Schafott. Er trug einen dunkelbraunen
Rock, grüne Beinkleider und weiße Strümpfe. Nun sollte er sich ent¬
kleiden. Er sträubte sich dagegen; doch überredete ihn der Priester
zur Ergebung. Er legte den Rock ab und stand da im weißwollenen
Kamisol. Die Scharfrichter traten heran, um ihn zu binden. Er
stieß sie zurück. Der Priester erinnerte ihn an das Beispiel des
Heilandes. Nun band man ihm die Hände. Als die Henker ihm die