106 Heinrich IV. und seine Söhne.
Vom Kaisertum unabhängig zu machen, sondern es über dasselbe zu
heben *) und ihm jede weltliche Gemalt zu unterwerfen. Dadurch verlieh
er ihm jenen streitbaren Charakter, der sein Verhältnis zum Kaisertum
auf Jahrhunderte hinaus bestimmte und die beiden höchsten Gewalten
des Mittelalters zu eifersüchtigen Rivalen machte, zwischen denen von
1076—1250 ein immer wieder neu entbrennender Kampf um die Ober-
Herrschaft geführt wurde, in welchem endlich das Kaisertum unterlegen ist.
Heinrich IV. und seine Söhne.
In Deutschland schienen sich die Dinge nach Heinrichs Rückkehr
aus Jtalieu endlich zu einem allgemeinen Frieden zu wenden. Otto
von Nordheim war gestorben und den zweiten Gegenkönig, den die
Hermann von Sachsen aufgestellt hatten, Hermann von Salm oder Luxemburg, be-
Luxemburg, drüugte der Kaiser so, daß er zu den Dänen flüchtete; als er wieder
zurückkehrte, fand er beim Berennen der Burg Kochem aMosel durch
einen Steinwurf ein unrühmliches Ende (1088). Auch die Sachsen und
die Welsen in Bayern unterwarfen sich dem Kaiser, so daß sich Deutsch-
laud wieder zu einigen und zu beruhigen schien. Aber noch war Hein'
rieh IV. im Kirchenbann. Da erweckte ihm die gregorianische Partei,
die in dem Franzosen Urban lt. (dem zweiten Nachfolger Gregors VII.)
ein rühriges Oberhanpt bekommen hatte, in feinem eigenen Sohne einen
Konrad. neuen Gegner. Dieser, Konrad mit Namen, war schon von den Fürsten
zum Nachfolger seines Vaters bestimmt und vou diesem als sein Stell-
Vertreter nach Italien entsandt worden. Dort gewann ihn die päpstliche
Partei, so daß er sich gegen seinen Vater erklärte. Heinrich war über
den Abfall seines Sohnes so erschüttert, daß er sich, wie erzählt wird,
selbst den Tod geben wollte und nur durch den Zuspruch treuer Freuude
/ wieder zu beruhigen war. Er ließ seinem älteren Sohne Konrad durch
ein Fürstengericht die Nachfolge absprechen und seinem jüngeren Sohn
Heinrich zuerkennen, der 1099 in Aachen gekrönt wurde, nachdem er ge-
schworen hatte, nie Leben oder Freiheit seines Vaters zu gefährden und
sich nie bei dessen Lebzeiten die Herrschaft anzumaßen. Konrad verlor
darauf alle Bedeutung und starb schon 1101, selbst bei der päpstlichen
Partei halb vergessen. Immerhin war er eine wahrhaftige Natur, der
es in religiöser Schwärmerei ernst war, wenn er erklärte, sein Gewissen
nötige ihn, sich von einem gebannten Kaiser loszusagen.
Heinrich der Anders sein jüngerer Bruder. In einer Zeit voll Abfall und Ver-
Jüngere, rat, wo selbst Eide ihre Kraft verloren hatten, aufgewachsen, zur Nach-
folge selbst unter Anzeichen väterlichen Mißtrauens berufen, hatte er sich
frühzeitig in Verstellung geübt und war ebenso verschlagen als herrsch-
süchtig geworden. Solange sein älterer Bruder noch lebte,^hatte er sich
seinem Vater durchaus ergeben und unterwürfig gezeigt. Nachdem Kon-
rad gestorben, war er von der Furcht befreit, der Vater möge diesen
wieder zu Gnaden aufnehmen, uud nun regte sich der Trieb nach Herr-
schaft und Selbständigkeit immer heftiger in Heinrich. Sein Vater lebte
') Er liebte es, das Papsttum mit der Sonne, die mit eigenem Licht leuchtet,
das Kaisertum mit dem Monde, der sein Licht von der Sonne entlehnt, zu vergleichen.