Erneuerung und Ende des Jnvestiturstreites 1111—1122. 109
der Peterskirche zum Kaiser gekrönt und zuvor jener Vertrag den an-
wesenden geistlichen und weltlichen Fürsten mitgeteilt werden sollte, ent-
stand durch den heftigen Widerspruch derselben ein so furchtbarer Lärm,
daß der Vertrag nicht vollzogen werden konnte. Nun weigerte sich auch
der Papst, die Kaiserkrönung vorzunehmen, ehe über die Investitur eine
Vereinbarung getroffen sei. In dem Drängen von der einen und dem
Weigern von der andern Seite rief plötzlich ein Ritter aus Heinrichs
Gefolge „Wozu viele Worte? Mein Herr will gekrönt sein wie einst Gefangen-
Karl d. Gr.!" und als Pasealis noch Einwendungen machte, nahm
Heinrich ihn mit den anwesenden Kardinälen gefangen. Als die Römer
von diesen Vorgängen vernahmen, griffen sie zu den Waffen und suchten
den Papst zu befreien. Der König selbst warf sich im Vorhof der
Peterskirche auf ein Roß und sprengte die Marmorstufen hinab unter
die Feinde, deren er fünf mit der Lanze durchbohrte. Nach heißem
Kampfe wurden die Römer zurückgetrieben. Der König zog mit seinen
Gefangenen aus der Stadt ab. Er behandelte sie mit den ihrer Stellung
gebührenden Ehren und brachte es endlich dahin, daß Pasealis ihm die
Investitur zugestand, ihn zu krönen versprach, den Bann von der Leiche
seines Vaters, die noch immer kein kirchliches Begräbnis erhalten hatte,
nahm und gelobte, den König nicht zu bannen Darauf frei gegeben,
vollzog er an Heinrich V. die Krönung, der nach diesen Erfolgen wieder Heinrichs v.
nach Deutschland zurückkehrte. Kmserkronung,
Erneuerung und Ende des Jnvestiturstreites 1111—1122.
Heinrich hatte zwar den Papst zur Nachgiebigkeit genötigt, aber
kaum war er aus Rom abgezogen, so erhob sich unter der großen Menge
von Prälaten, die ganz in den Gedanken Gregors VII. lebten, der hef¬
tigste Widerspruch gegen die Zugeständnisse, die Pasealis dem Kaiser-
gemacht hatte; er wurde bestürmt, sie als erzwungen zurückzunehmen
und den gewalttätigen Herrscher zu bannen. Pasealis blieb zwar in-
soferne seinem Worte treu, daß er nicht selbst den Kaiser bannte, aber
er ließ es geschehen, daß sein Legat, der Erzbischof Guido von Vienne, Heinrich v. im
die Exkommunikation über Heinrich aussprach. So war der Investitur- Bann,
streit aufs neue erwacht.
_ Heinrich V. verwickelte sich aber auch in Deutschland durch sein Heinrichs v.
rücksichtslos durchgreifendes Regiment in viele Kämpfe. Wie gegen seinenben
Vater, empörten sich nun auch gegen ihn die Sachsen unter Lothar von a
Snpplinbnrg, den Heinrich nach dem Aussterben der Billnnger (1106)
selbst zu ihrem Herzog erhoben hatte. Diese Streitigkeiten waren noch
nicht entschieden, als Heinrich zum zweitenmal nach Italien zog.
Dort war 1115 die Markgräfin Mathilde von Toskana, die ent- Heinrichs V.
schiedenste Anhängerin Gregors VII. und seiner Ideen, gestorben und zweiter
hatte den päpstlichen Stuhl als Erben ihrer Besitzungen eingesetzt. Jtalienerzug.
Heinrich V. nahm dieselben jedoch, soweit sie Allode waren, als Ver-
wandter Mathildens selbst an sich und vergab die Reichslehen davon
an seine Getreuen. Dadurch war er uuu auch in dem Teil Italiens,
der zum Reich gehörte, der mächtigste Fürst geworden.
Die Streitigkeiten in Deutschland wurden endlich durch einen all-
gemeinen Reichsfrieden (zu^Würzburg) ausgeglichen, worauf unter Ver-