— —
5. Beim Tode Kaiser Wilhelms J.
Am 9. März 1888 wurde Kaiser Wilhelm J. zu seinen Vätern ver—
sammelt. Wenige Stunden nach seinem Tode erschien Fürst Bismarck
im Reichstag, um den Vertretern des Volkes die schmerzliche Kunde zu
b überbringen. Die Abgeordneten waren fast vollzählig erschienen. Hatten
sie den eisernen Kanzler sonst immer in seiner Kraft und Entschlossenheit
bewundert, so sahen sie ihn jetzt vor Schmerz fast niedergebeugt. Mehr—
mals stockte er in seiner Rede, und Tränen erstickten seine Stimme.
Man merkte es ihm an, mit welcher Liebe und Treue er seinem Herrn
10 ergeben gewesen war. Erst gegen den Schluß erlangte seine Stimme
wieder ihre frühere Kraft; hochaufgerichtet schloß er dann seine Rede
mit den denkwürdigen Worten: „Die heldenmütige Tapferkeit, das hohe
deutsche Ehrgefühl und vor allen Dingen die treue, arbeitsame Pflicht⸗
erfüllung im Dienste des Vaterlandes und die Liebe zum Vaterlande,
15 die in unserm dahingeschiedenen Herrn verkörpert waren. mögen sie ein
unzerstörbares Erbteil unsers Volkes sein, das der aus unsrer Mitte
geschiedene Kaiser uns hinterlassen hat! Das hoffe ich zu Gott, daß
dieses Erbteil von uns aällen, die wir an den Geschäften unsers Valer—
landes mitzuwirken haben, in Hingebung, Arbeitsamkeit und Pflichttreue
20 treu bewahrt werde!“ — Langsam schritt der Reichskanzler die Treppe
hinab und drückte dem greisen Feldmarschall Moltke tiefbewegt die Hand.
6. Des Fürsten Lebensabend und Cod.
Im März 1890 schied Fürst Bismarck aus seinen Ämtern, nachdem
er 43 Jahre seinen Herrschern treu gedient hatte. Fortan lebte er auf
25 seinem Schlosse Friedrichsruh im Sachsenwald. Feld und Wald waren
ihm von jeher der liebste Aufenthalt gewesen. Großartig gestaltete sich
im Jahre 1895 die Feier seines 80. Geburistages So wurde noch kein
Lebender gefeiert. Der Kaiser selbst besuchte ihn in Friedrichsruh, über—
reichte ihm einen kunstvoll gearbeiteten Pallaͤsch und führte ihm sein
30 Regiment in Parade vor. Äbgesandte einzelner Provinzen, zahlreicher
Städte und Vereine brachten ihm Glück- und Dankeswünsche; Bismarck⸗
stiftungen und Bismarckfeiern in fast allen Orten legten Zeugnis ab von
der Verehrung, die der Baumeister des Deutschen Reiches überall genoß.
In Friedrichsruh war es auch, wo den greisen Kanzler am
35 30. Juli 1898 der Tod ereilte. Wiederum ging schmerzliches Trauern
durch das ganze deutsche Volk. Kaiser Wilhelm kehrle von seiner Nord⸗
landfahrt zurück, um dem Hingeschiedenen die letzte Ehre zu erweisen.
Im Sachsenwald, nahe bei seinem einstigen Wohnsiß, hat Fürst Bismarck
auch seine letzte Ruhestätte gefunden. Auf seinem Grabe steht schlicht
40 und wahr die Inschrift, die er selbst bestimmt hat:
„Fürst von Bismarck,
geb. den 1. April 1815, gest. den 30. Juli 1898.
Ein treuer, deutscher Diener Kaiser Wilhelms J.“
395