222 Ausbreitung d. luth. u. d. reform. Kirche. — Franz v. Sickingen 1523.
Frankreich vertrieben worden war, erhielt er zehn Jahre nach Zwinglis
Tod vom Stadtrate in Genf den Auftrag, die dortige Kirche zu refor-
mieren, errichtete ein aus Geistlichen und Laien gebildetes Konsistorium
zur Aufrechterhaltung der reinen Lehre und zur Überwachung der Sitten
und schaltete als geistlicher und weltlicher^) Diktator in der Stadtrepublik
. Genf, die er zum Mittelpunkt des reformierten Glaubens machte. Nach
Reformierte anfänglichen Meinungsverschiedenheiten einigte er sich (1549) mit den
airchc. Zürichern über die Abendmahlslehre (in der er ursprünglich zwischen Luther
und Zwingli gestanden); man kam überein, daß Zwinglianer und Kalvi-
nisten nur eine Kirche ausmachen sollten, die unter Vermeidung aller
anderen Parteiuameu die reformierte heißen sollte. Den Geist der ge-
mäßigten Demokratie, welcher der Staatsverfassung von Genf zu Grunde
lag, übertrug Kalo in auch auf feine Kirche. Wie der Staat durch einen
ans ben Bürgern gewählten Ausschuß regiert wurde, so wurden die kirch¬
lichen Angelegenheiten von nun an durch Vorsteher, Älteste oder Pres¬
byter geordnet und geleitet, die von der Gemeinde gewühlt wurden.
Ausbreitung der lutherischen und der reformierten Kirche.
Protestantisch. Die beiden neuen zu Ansang des 16. Jahrhunderts entstandenen
Bekenntnisse und Kirchenformen innerhalb der Christenheit, die lutherische
und die reformierte, nennt man im Gegensatz zur römisch-katholischen zu-
sammelt die protestantischen^). Sie breiteten sich mit der Zeit so aus,
Lutherisch, baß in Norddentschland, Ansbach-Baireut, Hessen, Würtemberg unb den
fcbeutenbsteit Reichsstädten, bann in den (jetzt russischen) Ostseeprovinzen,
in Finnland und ganz Skandinavien das lutherische, in der Schweiz (mit
Reformiert. Ausnahme der Urfantone), der Pfalz, den Niederlanden, England und
Schottland, sowie Teilen von Ungarn das reformierte Bekenntnis zur
Herrschaft kam3) — jedoch mit den Abweichungen in der Kirchenform,
Protestantische daß die skandinavischen Reiche bei Annahme der lutherischen und Eng-
Episkopal- laut) bei Annahme der reformierten Konfession die bischöfliche Verfassung
Itrchen. beibehielten (Episkopalkirchen).
Franz von Silkingen 1523.
Zustand ber Seit dem Ausgange des 14. Jahrhunderts hatte man immer dringen-
Reichs- der nach einer Reformation der Kirche und zugleich des Reiches verlangt.
Verfassung. @|ne s0fche war zwar von Maximilian I. vorgenommen worden, allein
sie war nicht durchgreifend. hatte auch die Zentralgewalt eher noch ge-
schwächt als gestärkt und besonders den niederen Adel nicht vor den Um-
*) Der Stadtrat übertrug ihm auch die Redaktion der Gesetze.
Der Name „Protestanten" rührt von der Protestation her, welche die evan¬
gelischen Reichsstände gegen den Reichstagsabschied von Speier 1529 erhoben, der die
kirchlichen Reformen verbot.
3) Tie Verbreitung des reformierten Bekenntnisses folgt dem Lauf des Rheines:
am Oberrhein die Schweiz, am Mittellauf die Pfalz, am Unterlauf die Niederlande
und jenfeit der Rheinmündung Großbritannien. Dagegen umspannt das lutherische
Bekenntnis das ganze Ostseebecken. Seit dem 16. Jahrhundert zerfällt die Christenheit
in drei große Gruppen: die griechisch-katholische Kirche, die römisch-katholische und die
protestantischen Kirchen. Vgl. S 99!