Full text: Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit

Der dreißigjährige Krieg 1618—1648. 249 
ausgehe, begaben sie sich in bewaffnetem Aufzuge auf das Schloß 
zu Prag, stellten die zwei verhaßtesten Räte Martinitz und Slawata zur Prager Fenster- 
Rede und stürzten sie nebst deren Geheimschreiber Fabricins nach kurzem ftur$ 161S- 
Wortwechsel durch die Fenster in den Schloßgraben hinab (23. Mai) 1618.J) 
Die Aufständischen übertrugen nun die Regierung Böhmens 30 Direk-Treißig Direk- 
toren und rüsteten ein Heer, an dessen Spitze der Graf Matthias von toren. 
Thurn, der Leiter des Prager Fenstersturzes, trat. 
Unter diesen Wirren starb Kaiser Matthias 1619. Bald darauf Kaiser 
rückte Thurn vor Wien, während Ferdinand von den Ständen von 
Nieder- und Oberösterreich gedrängt wurde, ihnen gleichfalls urkundlich ' ,.tf 
Religionsfreiheit zu gewähren. Allein er blieb bei seiner ablehnenden y^Wen. 
Haltung und wurde durch die Unentschlossenheit Thurns gerettet, der 
bei der mangelhaften Ausrüstung seiner Truppen keinen Angriff auf 
Wien wagte und schließlich von den Direktoren nach Böhmen zurück- 
gerufen wurde. 
Als darauf der Tag der Kaiserwahl herannahte, begab sich Ferdi-Ferdinand zum 
nand nach Frankfurt, um daselbst die böhmische Kurstimme auszuüben. Kttifer gewählt. 
Da erschienen auch Gesandte der böhmischen Direktoren, um gegen Fer¬ 
dinands Teilnahme an der Kaiserwahl zu protestieren, wurden aber vom 
Erzbischof von Mainz, dem Leiter der Wahl, nicht zugelassen. Nachdem 
sämtliche Stimmen auf Ferdinand gefallen, bis auf die des pfälzischen 
Gesandten (der für Maximilian von Bayern gestimmt hatte), schloß sich 
auch der letztere noch der Mehrheit an, so daß Ferdinand einstimmig 
zum Kaiser gewählt war (28. August) 1619. Aber wenige Tage vorher Ferdinand als 
(19. August) war er ebenfalls einstimmig von den böhmischen Ständen Vöhmenkönig 
ihres Thrones für verlustig erklärt worden, auf den sie (26. August) ° gesetz. 
mit Zustimmung der Nebenländer Böhmens (Mähren, Schlesien, Ober- 
und Niederlausitz) deu Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz beriefen. 
Dieser schien als Haupt der protestantischen Union und Schwiegersohn Friedrich v. 
des Königs von England dem Hause Habsburg die Spitze bieten zuüon der Pfalz, 
können. Obwohl er dadurch zu Ferdinand, den auch der pfälzische Ge- 
sandte soeben zum Kaiser mit gewählt hatte, in eine schiefe Stellung geriet, 
nahm Friedrich die böhmische Königswürde an und wurde zu Prag unter 
großen Feierlichkeiten gekrönt. Allem gerade England und die Union, 
auf welche er wie die Böhmen gehofft, zogen sich in der böhmischen An- 
gelegenheit ganz von ihm zurück, während Ferdinand den Verwandten 
Friedrichs, Maximilian von Bayern, sich zum Bundesgenossen erwarb. Maximilian I. 
Mit diesem war Ferdinand schon in der Jugend befreundet worden, als ö0" ®a9e5n 
beide an der Universität zu Ingolstadt studierten. Hier hatten sie unter 15 8~1GoL 
der Leitung der Jesuiten die gleiche Lebensanschauung eingesogen, die sie 
später durch Ausrottung des Protestantismus in ihren Erblanden und 
Bekämpfung desselben im übrigen Deutschland betätigten. Aber Maxi¬ 
milian war ein bedeutenderer Mann als Ferdinand. Während dieser in- 
folge seines der Kirche unbedingt ergebenen Sinnes immer in einer ge- 
wissen Abhängigkeit von seinem Beichtvater und den Jesuiten blieb, deren 
Rat er bei allen wichtigen Angelegenheiten einholte, nie selbst ein Heer 
') Die drei Bedrohten kamen wider Erwarten mit dem Leben davon; Fabricius 
brachte das Ereignis nach Wien, wofür ihn Ferdinand mit dem Prädikate von 
Hohenfall adelte.
	        
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