Das deutsch-römische Reich des Mittelalters. 71
in der Peterskirche zum römischen Kaiser, worauf durch eine Synode da-
selbst nach Ottos Wunsche Magdeburg") zum erzbischöflichen Sitz für
die wendischen und polnischen Länder erhoben ward. Als Otto bald
daraus zur vollständigen Bezwingung Berengars wieder nach Norden
abzog, knüpfte Johann, der es bei dem kraftvollen Auftreten Ottos so-
fort bereut hatte, sich selbst einen solchen Herrn gerufen zu haben,
heimlich mit Berengar Unterhandlungen zur Bertreibung der Deutschen
aus Italien an und ordnete sogar an die Ungarn Boten ab, die aber
in Ottos Hände fielen. Deshalb zog dieser abermals nach Rom und
ließ Johann XII., dessen lasterhafter Lebenswandel ihm den besten An- Absetzung ^
laß zum Einschreiten gab, durch eine Synode der päpstlichen Würde ^a9n6f '
entsetzen und Leo VIII. an seine Stelle erheben (963). Damals ge¬
lobten die Römer, keinen Papst mehr ohne Einwilligung des Kaisers Einfluß des
zu wählen. — Als bald darauf Johann starb und Berengar in deutsche £L£aL
Gefangenschaft geriet (Otto schickte ihn nach Bamberg, wo er sein Leben
beschloß), beherrschte Otto ungestört das karolingische Italien und war
diesseits uud jenseits der Alpen als Kaiser anerkannt.
Das deutsch-römische Reich des Mittelalters.
Durch Otto den Großen war 962 die weströmische Kaiserwürde
zum zweitenmal erneuert worden und blieb von nun an bis zu
ihrem gänzlichen Erlöschen beim deutschen Königtum. Seitdem wurde Das hl. rö-
für Ottos I. und seiner Nachfolger Reich wie einst für das Karls d. Gr.
der Name „hl. römisches Reich" gebraucht. Dieses, an Macht und ^ters.
Ansehen das erste Reich des christlichen Abendlandes im Mittelalter,
hatte zwar insoserne hohe nationale Bedeutung für das deutsche Volk, Nationale
als in ihm sämtliche deutsche Stämme Jahrhunderte lang zu einer betreiben3
politischen Einheit verbunden waren und hiedurch erst an eine solche
gewöhnt wurden, es war aber bei alledem doch kein nationales Reich,
wie das 1871 errichtete „deutsche Reich". Denn abgesehen davon,
daß es sich selbst „römisches Reich" nannte, waren in ihm außer der
gesamten deutschen Nation noch der größte Teil des italienischen Universaler
und seit 1033 auch ein Dritteil des französischen Volkes nebst benbe§;
flämischen Wenden zwischen Elbe und Oder vereinigt, Polen und Ungarn en'
aber wenigstens vorübergehend unter seiner Oberhoheit, es war also statt
eines streng nationalen vielmehr ein christlich universales Weltreich2), in
welchem nur die deutsche Nation die Führerschaft besaß, deren König
durch Annahme des kaiserlichen Titels einen höheren Rang als alle
anderen Könige des Abendlandes, durch seine Herrschaft über Rom aber
die Schirmvogtei über den Papst und die römische Kirche beanspruchte
und längere Zeit auch besaß. Wegen dieses universalen Charakters
nannte es sich das römische Reich, da es für das Mittelalter gerade-
fo das erste und Hauptreich Europas war und sein wollte, wie es für
*) Der hl. Jungfrau zu Ehren benannt: Magd = Jungfrau.
2) Weltreich nennt man ein Reich, das, wie die der Assyrer, Perser, Macedonier,
Römer, Araber, das römisch-deutsche Reich Karls und Ottos d. Gr. mehrere Nationen
umspannt und für seinen Kontinent und etwa noch benachbarte Erdteile eine dominie-
rende Machtstellung einnimmt und beansprucht.