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fand in dieser Richtung keinen Feind. Da erhielt er die Nachricht, daß die Preußen
am linken Saalufer ständen. Sofort führte der Kaiser eine Linksschwenkung aus
und besetzte die Städte Jena und Naumburg. Damit war deu Preußen der
Rückzug abgeschnitten. Der Herzog von Braunschweig erkannte die große Gefahr;
er wollte deshalb über die Unstrut abziehen, um die Straßen nach Berlin zu gewinnen.
Hohenlohe und Nüchel sollten den Abzug decken. Infolge dieser Anordnungen
kam es am 14. Oktober 1806 zu den Schlachten bei I e n a und A u e r st e d t. In beiden
wurden die preußischen Heerhaufen völlig zertrümmert; bei Jena siegte Napoleon
über Hohenlohe, der in leichtsinniger Weise nicht einmal die Höhen am linken Saal-
ufer besetzt hatte, und bei A u e r st e d t zerschmetterte Davoust das Heer des Herzogs
von Braunschweig, der leider gleich zu Anfang der Schlacht einen Schuß durch
beide Augen erhielt, so daß es an einem einheitlichen Oberkommando fehlte. In
wilder Flucht wälzten sich die Trümmer der Preußen und Sachsen nach Weimar.
„Das waren Greuel," schreibt Gneisen au, „tausendmal lieber sterben, als dies
wieder erleben."
Bei Sondershausen kam endlich Ordnung in die fliehenden Scharen. Hohen-
lohe übernahm den Oberbefehl und führte sie in Gewaltmärschen über den Harz
nach Magdeburg und von hier durch Brandenburg nach der Oder. Ehe er aber den
schützenden Fluß erreichte, wurde er von Mu rat mit seinen Reitern eingeholt, der
demFeldherrn der Preußen vorlog, er sei von 100 000 Mann eingeschlossen. Hohen¬
lohe glaubte dem Schwager Napoleons und ließ sich zu der voreiligen Kapitulation
von Prenzlau verleiten. Fast 12000 Mann mußten die Waffen strecken. Die
Soldaten zerschlugen vor Schmerz und Wut ihre Gewehre und trennten sich unter
Schluchzen von den Offizieren. Die feige Kapitulation blieb nicht ohne böse Folgen.
Die wichtigsten Festungen ergaben sich, ohne auch nur den Versuch einer ernsten
Verteidigung zu machen. Im Oktober lieferten Erfurt, Spandau und Stettin
die Schlüssel aus und im November eröffneten Küstrin und Magdeburg die Tore.
Der feige Kommandant von Küstrin sandte erst den Franzosen Boote über die
Oder, damit sie in die Festung kommen konnten, und in Magdeburg standen
24 000 Mann und 600 Kanonen zur Verteidigung bereit; dennoch übergab der
General von Kleist an der Spitze von 19 Generalen, die zusammen 1300 Jahre
zählten, den wertvollen Waffenplatz.
Aber es gab in der Zeit der Not noch Männer, die das preußische Schwert
mit Ehren führten, und zeigten, daß preußischer Mut und preußische Tapferkeit
noch nicht gänzlich ausgestorben waren. Der Oberst v o n U o r k lieferte den Fran-
zosen bei Altenza un an der Elbe ein ernstes Gefecht, und der General Blücher
entzog sich mehrmals kämpfend den verfolgenden Feinden. Mit 25 000 Mann
wandte er sich nach Lübeck, um von hier aus auf Schiffen den Osten der preußischen
Monarchie zu gewinnen. Allein Napoleon schickte zwei Armeekorps hinter ihm her.
Lübeck ging gegen die große Übermacht verloren und Blücher mußte am 7. No¬
vember bei Ratkau kapitulieren, weil er, wie er unter die Urkunde schrieb, kein
Brot und keine Munition mehr habe. Auch einige Festungskommandanten ver¬
gaßen nicht, daß sie Preußen waren. Kosel, Glatz und Silberberg bestürmten die
Franzosen vergebens; Kolberg verteidigten mit Hilfe der tapferen Bürgerschaft
D o n a t, Lehrbuch der Geschichte für Mittelschulen. III. o