Full text: Das Mittelalter und die Neuzeit (Teil 2)

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war, verpflichtet, ebenfalls Abgaben zu entrichten: eine Maßregel, die bei 
den Adeligen große Unzufriedenheit hervorrief, aber doch von dem Könige 
mit rücksichtsloser Strenge durchgeführt wurde. Vor allem aber förderte er 
das Militärwesen („der Dessauer", das Leibregiment der Riesen); er 
vergrößerte das Heer fast um das Dreifache. — Im Utrechter Frieden erhielt 
er (außer der allgemeinen Anerkennung der königlichen Würde Preußens) 
das Oberquartier Geldern (südlich von Kleve); im nordischen Kriege erwarb 
er durch den Frieden von Stockholm (1720) einen Teil von Vorpommern 
(Stettin nebst dem Lande zwischen Oder und Peene und den Inseln Usedom 
und Wollin). 
2. Kaiser Karl VI. (1711—1740) und das deutsche Reich. Unter 
der Regierung Karls VI. war das deutsche Reich (zunächst infolge der 
Kriege gegen Ludwig XIV.) in große Schwäche herabgesunken. Nachahmung 
französischer Sitte und Bildung hatte es mehr und mehr von dem Einflüsse 
Frankreichs abhängig gemacht; die Üppigkeit und Schwelgerei der Höfe 
(z. B. des sächsischen unter August dem Starken, der, wie viele andere, selbst 
geistliche Fürsten, in dem „großen" Ludwig sein Vorbild sah) hatte Zerrüt- 
tung der Staatseinkünfte, Verarmung des Volkes (bei welchem jetzt zuerst 
die Auswanderung nach Nordamerika aufkam), und Unterdrückung der alten 
bürgerlichen Freiheiten herbeigeführt. Die Reichsfürsten, untereinander 
uneinig, sorgten selbstsüchtig nur für sich und vergaßen ihrer Pflichten gegen 
den Kaiser und das Reich. Der Kaiser dagegen war nur daraus bedacht, 
seine Hausmacht auszubilden und das Reich für seine Zwecke zu gebrauchen. 
Seine Würde war mehr eine Last, als daß sie Macht verlieh: bei mehr als 
300 beinahe selbständigen Staaten, in welche das Reich zerfiel, war eine 
einheitliche oberste Gewalt fast nur noch ein Name. 
Von seiner ehemaligen Machtfülle waren dem Kaisernur geringe Vorrechte, sogenannte 
Reservatrechte (Erteilung von Privilegien, Standeserhöhungen :c.), verblieben; in allen 
wichtigen Angelegenheiten (Gesetzgebung, Krieg und Frieden, Besteuerung ic.) war er an 
die Zustimmung der Reichs st ände gebunden. 2)er Reichstag, seit 1663 ständig zu 
Regensburg, wurde nicht mehr von Kaiser und Ständen in Person besucht, sondern durch 
Gesandte beschickt. Seine Verhandlungen schleppten sich unter lauter Förmlichkeiten in 
endloser Breite hin; Beschlüsse kamen nur mühsam zu stände. Er bestand aus 3 Kollegien: 
dem Kurfürstenkollegium, dem Fürstenkollegium (mit der geistlichen und weltlichen Bank) 
und dem Städterat. Nur wenn alle 3 Kollegien den kaiserlichen Anträgen beistimmten, 
konnte ein gültiger Reichsschluß ergehen. 
ZweiKriege mit denTürken führte der Kaiser mit verschiedenem 
Erfolge. 
Im ersten gewann er durch die Siege des Prinzen Eugen bei Peterwardein 
(1716) und bei Belgrad (1717) mehrere Provinzen (Bosnien, Teile von Serbien und der 
Walachei) 1718; im zweiten dagegen kämpften die österreichischen Heere nach Eugens Tode
	        
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