— 245 —
A. §§ 128. 140. R. §§ 68. 77. G. §§ 69. 78.
Friedrich Wilhelm III.
Umbildung des preußischen Staates.
I. Die Scharnhorsts und die Stein-tzardenbergsche Reform.
A. Die Verbesserung des Heerwesens. Die preußische Armee
hatte sich 1806 im Kriege gegen Napoleon nicht bewährt. Das französische Volks-
Heer war besser bewaffnet, war leichter beweglich und wurde besser verpflegt und
geführt als das preußische Söldnerheer, das zum großen Teile aus Ausländern
bestand. König Friedrich Wilhelm III. berief deshalb bald nach dem Tilsiter
Frieden eine Militär-Reorganisations-Kommission. Deren Vor-
sitzender war Scharnhorst (ein hannövrischerBauernsohn, der sich als Kriegs-
lehrerund im Kampfe bewährt hatte; er ist von 1807—1810 Kriegsminister,
dann Chef des Generalstabs der Armee gewesen). Ihn unterstützten vor allen
Neidhardt von Gneisenau, Clausewitz, Boyen, Grolmann.
Das Heer wurde zweckmäßiger bewaffnet, eingeübt und bekleidet; der Zopf
fiel. Nur persönlich tüchtige Führer, auch solche bürgerlichen Standes, wurden
fortan vom Könige in die höhern Offizierstellen berufen; bisher waren diese
Stellen ausschließlich von Adligen und nur nach dem Dienstalter besetzt worden.
Die Werbungen im Auslande wurden abgeschafft, aber alle waffenfähigen Preußen
zwischen 18 und 25 Jahren zum Heeresdienste verpflichtet (Vorbereitung zur all-
gemeinen Wehrpflicht, die 1814 durch Gesetz eingeführt wurde). Eine
menschlichere Behandlung der Soldaten trat ein. Die entehrenden und grausamen
Strafen (wie Stockprügel, Spießrutenlaufen) wurden durch Freiheitstrafen ersetzt.
Der Dienst im Heere sollte fortan eine Ehrenpflicht für jeden Staatsbürger
werden. — Die ganze Kriegskunst wurde zeitgemäß umgebildet.
Im Pariser Vertrage (1808) wurde der König durch Napoleon verpflichtet, nicht mehr
als 42000 Mann unter den Waffen zu halten. Diese Bestimmung umging Scharnhorst
dadurch, daß er die seit 1810 eingestellten Rekruten nach mehrmonatiger Einübung in
großer Zahl heimlich entließ und sie unvermerkt durch andere ersetzte (Krümper-
Aftern)*).
Vervollständigt wurde die Neubildung des preußischen Heeres bei dem Ausbruche
der Befreiungskriege durch Errichtung der Landwehr (Patent vom 17. März 1813). Zu
dieser Truppe gehörten alle wehrhaften Männer vom 17. bis zum 40. Lebensjahre, soweit
sie nicht bei dem stehenden Heere dienten (Kleidung: kurzer blauer oder schwarzer Über-
rock [Litewka], Tuchmütze mit weißem Blechschilds und der Aufschrift: „Mit Gott für
König und Vaterland!").
B. Umgestaltung der Staatsverwaltung, der bürgerlichen
und bäuerlichen Verhältnisse durch den Staatsminister von
Stein (bis 1808)und denStaatskanzlervonHardenberg (seit 1810).
1. Die Aufhebung der Gutsunterthänigkeit der Bauern.
Die Bauern waren trotz der Fürsorge Friedrichs des Großen und seines
Vaters (vgl. S. 20. 22) noch immer in sehr gedrückter Lage. Ihre Äcker, Wiesen,
*) Kriimper oder Kremper = überzählige Pferde, zu allerlei Dienstleistungen
von einzelnen Truppenteilen gehalten; dann spöttische Bezeichnung der nicht etatmäßigen
Soldaten.