Full text: Das Mittelalter und die Neuzeit (Teil 2)

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A. §§ 128. 140. R. §§ 68. 77. G. §§ 69. 78. 
Friedrich Wilhelm III. 
Umbildung des preußischen Staates. 
I. Die Scharnhorsts und die Stein-tzardenbergsche Reform. 
A. Die Verbesserung des Heerwesens. Die preußische Armee 
hatte sich 1806 im Kriege gegen Napoleon nicht bewährt. Das französische Volks- 
Heer war besser bewaffnet, war leichter beweglich und wurde besser verpflegt und 
geführt als das preußische Söldnerheer, das zum großen Teile aus Ausländern 
bestand. König Friedrich Wilhelm III. berief deshalb bald nach dem Tilsiter 
Frieden eine Militär-Reorganisations-Kommission. Deren Vor- 
sitzender war Scharnhorst (ein hannövrischerBauernsohn, der sich als Kriegs- 
lehrerund im Kampfe bewährt hatte; er ist von 1807—1810 Kriegsminister, 
dann Chef des Generalstabs der Armee gewesen). Ihn unterstützten vor allen 
Neidhardt von Gneisenau, Clausewitz, Boyen, Grolmann. 
Das Heer wurde zweckmäßiger bewaffnet, eingeübt und bekleidet; der Zopf 
fiel. Nur persönlich tüchtige Führer, auch solche bürgerlichen Standes, wurden 
fortan vom Könige in die höhern Offizierstellen berufen; bisher waren diese 
Stellen ausschließlich von Adligen und nur nach dem Dienstalter besetzt worden. 
Die Werbungen im Auslande wurden abgeschafft, aber alle waffenfähigen Preußen 
zwischen 18 und 25 Jahren zum Heeresdienste verpflichtet (Vorbereitung zur all- 
gemeinen Wehrpflicht, die 1814 durch Gesetz eingeführt wurde). Eine 
menschlichere Behandlung der Soldaten trat ein. Die entehrenden und grausamen 
Strafen (wie Stockprügel, Spießrutenlaufen) wurden durch Freiheitstrafen ersetzt. 
Der Dienst im Heere sollte fortan eine Ehrenpflicht für jeden Staatsbürger 
werden. — Die ganze Kriegskunst wurde zeitgemäß umgebildet. 
Im Pariser Vertrage (1808) wurde der König durch Napoleon verpflichtet, nicht mehr 
als 42000 Mann unter den Waffen zu halten. Diese Bestimmung umging Scharnhorst 
dadurch, daß er die seit 1810 eingestellten Rekruten nach mehrmonatiger Einübung in 
großer Zahl heimlich entließ und sie unvermerkt durch andere ersetzte (Krümper- 
Aftern)*). 
Vervollständigt wurde die Neubildung des preußischen Heeres bei dem Ausbruche 
der Befreiungskriege durch Errichtung der Landwehr (Patent vom 17. März 1813). Zu 
dieser Truppe gehörten alle wehrhaften Männer vom 17. bis zum 40. Lebensjahre, soweit 
sie nicht bei dem stehenden Heere dienten (Kleidung: kurzer blauer oder schwarzer Über- 
rock [Litewka], Tuchmütze mit weißem Blechschilds und der Aufschrift: „Mit Gott für 
König und Vaterland!"). 
B. Umgestaltung der Staatsverwaltung, der bürgerlichen 
und bäuerlichen Verhältnisse durch den Staatsminister von 
Stein (bis 1808)und denStaatskanzlervonHardenberg (seit 1810). 
1. Die Aufhebung der Gutsunterthänigkeit der Bauern. 
Die Bauern waren trotz der Fürsorge Friedrichs des Großen und seines 
Vaters (vgl. S. 20. 22) noch immer in sehr gedrückter Lage. Ihre Äcker, Wiesen, 
*) Kriimper oder Kremper = überzählige Pferde, zu allerlei Dienstleistungen 
von einzelnen Truppenteilen gehalten; dann spöttische Bezeichnung der nicht etatmäßigen 
Soldaten.
	        
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