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Beistandes, auf den sie Anspruch haben, zu hinterlassen." Und Fürst
Bismarck mahnte: „Geben Sie dem Arbeiter, so lange er gesund ist, Arbeit,
wenn er krank ist, Pflege, wenn er alt ist, Versorgung!" — In dieser
weisen Fürsorge sür Notleidende ist das Deutsche Reich unter Führung
Kaiser Wilhelms I. und seines großen Reichskanzlers allen anderen Ländern
vorausgeeilt.
Im Jahre 1883 kam das Arbeiter-Krankenversicherungs-Gesetz zustande,
1884 das Arb eiter-Unfallv er sicherun gsg es etz. Die „Grundzüge zur Alters-
und Invalidenversicherung" wurden von der Reichsregierung noch 1887 ausge-
arbeitet; aber die Vollendung dieses wichtigen Gesetzgebungswerkes, das dem Kaiser so
sehr am Herzen lag, sollte derselbe nicht mehr erleben. Das große Gesetz kam erst am
22. Juni 1889 zustande und trat am 1. Januar 1891 in Kraft. Bald darauf fand
diese sociale Gesetzgebung ihren Abschluß durch das Arbeiterschutzgesetz vom
8. Mai 1891.
5. Tod Kais er Wilhelms I. — Kaiser Wilhelm erreichte ein so
hohes Alter, wie es höchst selten einem Menschen zu teil wird. Und doch ist
er bis in dieses hohe Alter hinein, ja bis zum Tode nicht müde geworden,
mit der unvergleichlichsten Pflichttreue den Geschäften seines hohen Berufes
obzuliegen. Noch am Tage seines Todes, als seine geliebte Tochter, die
Großherzogin von Baden, ihn bat, sich zu schonen, erwiderte er ihr das denk-
würdig schöne Wort: „Ich habe keine Zeit, müde zu sein." — Er
starb am 9. März 1888, ein hochgesegneter Mann von 9 l Jahren, ein wahr-
hast großer Herrscher, dem sich im Kriege wie im Frieden nur wenige deut-
sche Kaiser vergleichen können.
§ 75.
Kaiser Friedrich (III.) und Kaiser Wilhelm II.
1. Kaiser Friedrich (III.) 1888 (9. März bis 15. Juni). Dem
großen Kaiser Wilhelm I. folgte auf dem Throne sein Sohn Friedrich III.,
geb. 18. Oktober 1831. Bei seinem Regierungsantritt verhieß er, „in den
Wegen des glorreichen Vaters zu wandeln und dessen Werk fortzuführen."
Das deutsche Volk, welches den Helden von Königgrätz, Wörth und Sedan,
den stattlichen, leutseligen Prinzen, den sür das Fürstenamt sorgfältig vor-
bereiteten Erben der Krone seit lange ehrte und liebte, kam dem neuen Kaiser
voll Vertrauens entgegen. Aber der Anfang seiner Regierung grenzte zu
nahe an das Ende: dem edlen Fürsten fehlte die ausreichende Zeit und
Lebenskraft, eine eingreifende und fruchtreiche Herrscherthätigkeit zu entfalten.
Schon vor des Vaters Tode von schwerer Krankheit betroffen, konnte er nach
seiner Thronbesteigung nur einige Monate (99 Tage) unter unsäglichen Lei-
den pflichtgetreu seines hohen Amtes walten, bis er, ein heldenhafter Dulder,