116 IX Das römische Kaiserreich und die Germanen. Das Christentum.
Schon Konstantins Ehlorus, mehr aber noch dessen Gattin Hc-
lena, Konstantins Mutter, hatten sich der christlichen Lehre znge-
neigt und ihr Beispiel blieb nicht ohne Einfluß auf den Sohn.
Nach seinem Siege über Maxentins erließ er ein Gesetz, welches den
Christen freie Religionsübung gestattete. Noch entschiedener trat er
für das Christentum ein, nachdem er die Alleinherrschaft erlangt
hatte. Er gebot die Feier des Sonntags, zog christliche Geistliche
und Bischöfe in den Kreis seiner Vertrauten und ließ die kaiserlichen
Prinzen durch christliche Lehrer erziehen. In allen Städten wurden
Kirchen gebaut und prächtig geschmückt. Helena reiste selbst ins ge-
lobte Land, ließ sich im Jordan taufen und errichtete an der Stätte,
wo einst Jesus gekreuzigt und begraben ward, die jetzt noch vorhan-
dene Kirche des heiligen Grabes. Die Taufe empfing Konstantin
erst auf seinem Sterbebette.
Früh schon führten die religiösen Forschungen zu Spaltungen
und zur Bildung von Sekten. Am bedeutungsvollsten war der
Streit über die Person Christi. Arius, ein Presbyter zu Alexau-
drien, eiu Mann von Gelehrsamkeit, ernstem Wesen und fleckenlosem
Wandel, stellte die Ansicht auf, Christus sei nicht gleichen Wesens
mit dem Vater, sondern nur der Erste unter allen Geschaffenen.
Seine Lehre fand viele Anhänger, aber auch viele Gegner, und der
Streit verbreitete sich allmählich durch die ganze Christenheit. Als
alle Versuche, den Frieden herzustellen, vergebens waren, berief Kon-
325 stantin die erste allgemeine Kirchenversammlung nach Nicäa
in Kleinasien, an welcher 318 Bischöfe und andere hochgestellte
Geistliche teilnahmen. Nach langen Verhandlungen wurde die Lehre
des Arius als ketzerisch verdammt nnd das nicänische Glaubens-
bekeuntnis, das die göttliche Natur des Erlösers aussprach, abge-
faßt. Später kam dazu noch ein anderes, welches nach Athanasius,
einem alexaudrinischen Geistlichen, dem Hauptgegner des Arius, das
athauasianische genannt wird. Doch der Streit ruhte damit noch
nicht. Der Arianismns wurde sogar lange Zeit vom kaiserlichen
Hofe begünstigt, und erst unter Theodosins gewann die orthodoxe
(rechtgläubige) Kirche den Sieg.
Auf Konstantin folgten seine drei Söhne Konstantinns, Kon-
stantins und Konstans und nach deren Tode sein Neffe Julian
„der Abtrünnige". Obwohl im Christentum erzogen, neigte sich doch
Julian immer mehr dem Religionswesen der Väter zu, an dessen
Kunst und Poesie, Festen und Opfern seine phantasiereiche Natur
Gefallen faud, und mit dem er alles verknüpft sah, was die schönste
Zeit des Altertums aus sich erzeugt und als die reiche Quelle
geistiger Bildung zurückgelassen hatte. Kaum war er daher zur
Herrschaft gelangt, als er mit Eifer an die Wiederbelebung des