Full text: Leitfaden für den Geschichtsunterricht in Mittel- und Mädchenschulen

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X. Die Völkerwanderung, 
378 Adrianopel eine Niederlage, in der er selbst den Tod sand. Valens' 
Nachfolger Theodosius schloß mit ihnen Frieden und überließ ihnen 
Thrazien, wo sie unter ihren Stammfürsten nach eigenen Sitten 
und Einrichtungen, jedoch unter kaiserlicher Oberhoheit lebten. 
Theodosius war der letzte Kaiser, welcher das ganze römische 
Weltreich beherrschte. Vor seinem Tode verfügte er, daß seine beiden 
Söhne sich in das Reich teilen sollten. Dem achtzehnjährigen 
Arcadius fiel das Morgenland zn, während der elfjährige Honorius 
395 das Abendland erhielt. Damit war eine Teilung des römischen 
Reiches vollzogen. Die Jugend der beiden Kaiser machte die Füh- 
rnng der Regieruugsgeschäftc durch andere nötig, ihre Unfähigkeit 
konnte auch uach erlangter Mündigkeit fremder Leitung nicht ent- 
6ehren. Während Arcadius im glänzenden Kaiserpalaste zu Kon- 
stantinopel der üppigen Ruhe pflegte, leitete fcrer Gallier Rufiuus 
und nach dessen Ermordung Eutropius das Ostreich; im Westen 
herrschte im Namen des Honorius der kriegskundige und staatskluge 
Vaudale Stiliko (Stilicho), dem regierenden Hause als Gemahl 
einer Nichte des Theodosius verwandt, und bald nachher auch 
Schwiegervater des Honorius. 
Nur mit Unlust hatten die Westgoten das Schwert mit dem 
Pfluge vertauscht. Als ihnen daher nach dem Tode des Theodosius 
die bisher üblichen Geschenke vorenthalten wurden, griffen sie sofort 
zu deu Waffeu, um ihren Unterhalt durch Plünderung der reichen 
Provinzen und Städte des Südens zu suchen. An ihrer Spitze 
stand jetzt Alarich, ein Mann, der einen kühnen, unternehmenden 
Geist mit Kriegsgeschick uud kluger Berechnung der Umstände ver- 
band. Ohue vou deu mutlosen Statthaltern Widerstand zu erfahren, 
durchzog er plüuderud und verwüstend die griechische Halbinsel und 
396 kam bis in den Peloponnes. Da eilte Stiliko, der Minister des 
Westreiches, herbei und schloß die Goteu iu den Gebirgen Arkadiens 
so ein, daß ihnen nur die Wahl zwischen einem verzweiflungsvollen 
Kampfe und dem Hungertode zu bleiben schien. Allein Alarich be 
nutzte die Sorglosigkeit im römischen Lager und führte seine Goten 
nach Epirus zurück, Gefangene und Beute mit sich nehmend. Auf 
dem Rückwege empfing er die Botschaft, daß ihn der oströmische 
Kaiser zum Statthalter uud Obeberfehlshaber des östlichen Jl- 
lyrien ernannt habe, desselben Landes, das er eben erst plündernd 
durchzogen. 
Kaum sah sich Alarich in seiner neuen Stellung befestigt, als 
er beschloß, seine Waffen gegen Italien zu kehreu. An der Spitze 
401 seines Volkes überschritt er die julischen Alpen, siegte bei Aqnileia 
uud eroberte Jstrien und Venetien. Zwar überwand ihn 
402 Stiliko bei Pollentia (in Piemout), aber trotz dieses Erfolges
	        
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